Symbolbild. Zwei Frauen mit Kopftüchern / Photo: AA (AA)
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Es ist, als erlebe man das gleiche Spektakel ein weiteres Mal. 2015 hatten wir schon einmal den Beginn einer langen Diskussion über ein Phänomen, das legistisch gar nicht existierte: islamische Kindergärten. Wir erinnern uns: Sebastian Kurz, damals noch Integrationsminister, bestellte Studienzwischenergebnisse, die geliefert und erzeugt wurden. Sie sollten bestätigen, dass die von den Sozialdemokraten geführte Stadt Wien ein Problem mit der Islamisierung von Kinderbildungseinrichtungen habe.

Antisemitische Vorläufer

Als vor einem Jahrhundert von der Verjudung der Wissenschaft die Rede war und die Christlich-Sozialen den Antisemitismus in der politischen Auseinandersetzung pflegten und hegten, führte dies im Nationalsozialismus am 25. April 1933 letztendlich zum „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“, welches eine 5-Prozent-Quote für SchülerInnen „nicht-arischer“ Herkunft einführte.

Mit Kurz begann in der Zweiten Republik ein Diskurs über die vermeintliche Islamisierung des Bildungswesens. Abseits jedweder Faktenlage wurde – mit später erwiesenen politischen Interventionen seitens seines Kabinetts – ein Bedrohungsszenario an die Wand gemalt, das die Erziehung von Kleinkindern rassistischer Projektion zum Fraß vorlegte.

Schwesternparteien der FPÖ wie die Alternative für Deutschland sprachen diese Forderung 2018 im bayerischen Wahlkampf unverhohlen aus: „Deutsche Leitkultur! Islamfreie Schulen“ skandierten sie damals auf großflächigen Werbeplakaten.

Generation Haram

Die rassistische Problematisierung des Islams an österreichischen Schulen ist nichts Neues. Seit Jahren schon wird vor der Generation Haram gewarnt, werden vor allem muslimische Burschen als integrationsunwillig und Sittenpolizei geframed. Kinder werden wie Erwachsene behandelt, und ihre jugendlichen Provokationen werden vor dem Hintergrund des antimuslimischen Rassismus als brandgefährlicher Fundamentalismus dargestellt.

Rassistische Implikationen

Dies hat bislang zu erheblich wachsendem Druck im Schulalltag geführt, wo hierarchisch untergeordnete SchülerInnen manchmal den politischen Diskurs auf der eigenen Haut zu spüren bekommen, was im öffentlichen Diskurs meist untergeht, da dort der hegemoniale Diskurs keinen Platz für Opfer hat, sondern die Opfer zu Tätern umkehrt. Darauf machen lediglich antirassistische Vereinigungen wie ZARA oder die Dokustelle Muslime aufmerksam. Für die breite Öffentlichkeit dominierte aber die Problematisierung von Bildungseinrichtungen, die von MuslimInnen geführt werden.

Rassismus

Dass heute skrupellos und mit aller Selbstverständlichkeit plakativ vom „Problem Islam“ in der Schule gesprochen wird, hat mit dem von ÖVP-Seite medial hofierten Susanne Wiesinger und ihrem Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ ebenso zu tun wie mit der derzeitigen Hofierung des ÖVP-Bezirksvorsteher-Stellvertreters Christian Klar, der zuletzt mit seinem Buch „Was ist los in unseren Schulen?“ den Islam ebenso zur Hauptherausforderung deklariert hat. Seine Aussagen sind so generalisierend anti-muslimisch, wie man es aus diesen Kreisen kennt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Das Spezielle am Islam sei, wie er ausführt, „dass Gewalt gegen Andersgläubige in dieser Religion in den Schriften vorgesehen ist“. Und auch wenn nicht jeder Muslim gewalttätig sei, so sei der Islam, der sich selbst „nicht als Religion sehe“, sondern als „Gesamtgefüge einer Staatsführung“, eben gewalttätig. Aber er untermauert seine Erzählung des Untergangs des Abendlandes mit vielen Anekdoten. Diese widersprechen zwar den objektiven Zahlen, lassen sich aber gut als scheinbare Evidenz präsentieren.

Wahlkampfforderungen

In seinen Beiträgen zur österreichischen Schullandschaft meint der ehemalige Schuldirektor zur Schaffung eines Gebetsraums in der Schule ein deutliches „sowas gibt's bei uns nicht“. Er stört sich am Hijab der Mädchen. Und er will generell klare Richtlinien darüber, was zu verbieten sei, um eine christlich-jüdische Wertegemeinschaft zu erhalten, in welcher der Islam keinen Platz hat.

Dieser Klar tritt in christlich-fundamentalistischen Kreisen ebenso gerne auf wie im Boulevardsender Österreich und wird im ORF als Experte geladen. Seine Beziehungen zu transatlantischen islamophoben Think Tanks wie dem Center for the Study of Political Islam wurden bis dato nicht öffentlich beleuchtet. Dessen Präsident wurde 2011 vom Southern Poverty Law Center als Teil des inneren Zirkels antimuslimischer Netzwerke eingestuft.

Mainstream-Positionen

Zuletzt durfte Klar seine Gedankenwelt in der wichtigsten österreichischen Nachrichtensendung ZIB 2 ausführen. Anstatt ihm Kontra zu geben, ließ ihm die ORF-Moderatorin freien Lauf zu erklären, wie die von ihm identifizierten (oder eben erfundenen) Probleme einer Lösung zuzuführen seien, anstatt seine rassistischen Aussagen zu hinterfragen. Und auch der sozialdemokratische Mitdiskutant schwamm – wie von dieser Partei gewohnt – und bezog sich lediglich allgemein auf Menschenrechte und Grundrechte, ohne aber wirklich Kontra zu geben. Im Gegenteil gestand dieser ein, es gäbe „Herausforderungen“.

„Wir müssen alle Kinder schützen, vor Fundamentalisten und Extremisten", so der Sozialdemokrat. Das ist richtig. Dass der islamophobe Diskurs eines Christian Klar, der weit über seine Parteigrenzen geteilt wird, eigentlich extremistisch ist, wird hier jedoch nicht gesehen. Denn in rassistischen Diskursen werden immer die Täter zu Opfern und die Opfer zu Tätern verkehrt. Und aus der Geschichte wird nicht das Richtige gelernt. Sei es judenfrei oder islamfrei: Beides hat den gleichen Ursprung eines hässlichen Rassismus, der in keine gute Zukunft führt.


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