Kay-Michael Dankl, Bürgermeisterkandidat der KPÖ Plus, lächelt vor der Stimmabgabe bei der Bürgermeister-Stichwahl. / Photo: DPA (dpa)
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Schon lange vor der Bürgermeisterstichwahl in Salzburg Sonntag letzte Woche brodelte es in der österreichischen Medienlandschaft; am markantesten wohl die Titelseite in „Die Presse“: „Der Aufstieg der Kommunisten“. Doch die Headline war sprichwörtlich irreführend – eine rote Sonne hinter schwarz gefärbten Häusern mit nur wenigen Fensterlichtern verhieß schwere Zeiten, sollten die Kommunisten in der Tat von nun ab auch Salzburg regieren (nach Graz), vom EU-Austritt ist die Rede im Kasterl unter der Überschrift sowie vom Venezuela-Vorbild. Doch der Artikel relativiert umgehend und lobt Bürgermeisterkandidat Kay-Michael Dankl quasi mit folgenden Worten: „Von einer Weltrevolution ist auf der Facebook-Seite des derweil wohl gefragtesten Kommunisten des Landes keine Rede“. Sind Sie als Leserin und Leser verwirrt bei solch zweideutiger Berichterstattung? Es wäre Ihnen nicht zu verdenken.

Genauso wichtig wie Aufstieg der KPÖ Plus – lokaler Niedergang von ÖVP und FPÖ

Die KPÖ-Sensation in Graz, die vor einigen Jahren zu einem hohen Ergebnis mit 28,9 Prozent der Stimmen und der Übernahme des Bürgermeisterinnenamtes führte, setzte sich kürzlich bei der Gemeinderatswahl in Salzburg mit beachtlichen 23 Prozent fort. In der mangels klaren Siegers angesetzten Bürgermeisterstichwahl punktete nun letzten Sonntag zwar die viel größere SPÖ (62,47 Prozent) mit ihrem Kandidaten Bernhard Auinger, aber eins ist klar: Kay-Michael Dankl wird mit 37,53 Prozent der Stimmen Vizebürgermeister, und die KPÖ Plus wird garantiert viele Tagesordnungspunkte in die Stadtverwaltung einbringen können.

Schwerpunktthema in Salzburg war das genaue Gegenteil des oftmals auf ausländerfeindlichen Parolen aufgebauten Wahlkampfs anderswo, vor allem dort, wo die außen-rechts FPÖ versucht zu punkten. „Der Standard“ schrieb es klipp und klar am 24. März 2024: „In Salzburg hat die Wohnungspolitik sogar das Dauerthema Migration völlig aus der Debatte verdrängt. Es ist die Geschichte vom Hemd, das einem näher ist als der Rock: Wer Angst hat, seine Miete nicht bezahlen zu können, dem erscheint der Nachbar mit Migrationshintergrund weniger als Problem“ und „Der oft postulierte Automatismus, nach welchem die Unzufriedenen immer ihr Heil bei der extremen Rechten suchen, wurde in Salzburg widerlegt“.

Und das bringt uns zum eigentlichen Punkt dieser kurzen Wahlanalyse. Nicht nur die Tatsache, dass eine kommunistische Partei in Österreich weiterhin Erfolge an der Wahlurne einfährt, ist bemerkenswert, sondern der Fakt, dass trotz bundesweiter Dominanz (ÖVP) oder zumindest versuchter Dominanz (FPÖ) beide in der Stadt Salzburg aufs Abstellgleis geschoben wurden, ist faszinierend.

Bestes Beispiel und ausnahmsweise diesmal nicht von der rechtsextremen FPÖ: ÖVP Generalsekretär Christian Stocker sagte kürzlich im Wortlaut: „Wer unsere Lebensweise ablehnt, muss nicht bei uns bleiben – es steht ihm frei, zu gehen.“

Es ist nichts Neues, dass die ÖVP versucht, im rechtsextremen FPÖ-Lager auf Stimmenfang zu gehen. Es ist auch nichts Neues, wenn politische Parteien, die sich um ihre Zukunft in der Regierung sorgen, Manifeste präsentieren, die sich an Wählergruppen außerhalb ihres eigenen Spektrums richten. Im besten Falle führt dies zu einer weiteren Demokratisierung einer eventuell in alten Fahrwassern hängengebliebenen Partei, im schlimmsten Falle zu einem Annähern an eher abzulehnende Tendenzen, zumindest aus der Perspektive einer Mitte-Volkspartei betrachtet.

Und ebenso interessant – viele konservative Politiker scheinen sich nicht darüber bewusst zu sein, dass zum Beispiel in Salzburg Land 20,3 Prozent Ausländeranteil (116 000 Menschen) vermerkt werden, d.h. Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft mit einer angenommenen Zahl in Höhe von rund einem Drittel aller Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund an sich. Natürlich umfasst dies auch Unionsbürger und Unionsbürgerinnen, die zumindest auf Gemeindewahlebene ihre Stimme abgeben dürfen. Es wird sogar angenommen, dass rund 1,4 Millionen Mitbewohner und Mitbewohnerinnen bei Nationalrats- sowie Bundespräsidentenwahlen ohnehin nicht wählen dürfen.

Jetzt könnte man sagen, vergesst diese Bürgerinnen und Bürger – wir gehen auf Stimmenfang nicht mit dem Versprechen, diesen Mitmenschen zumindest bei Landtagswahlen eine Stimme zu verleihen, sondern argumentieren sogar, dass diese Anzahl ohnehin viel zu hoch ist. Und hier beginnt der Teufelskreis zwischen normalerweise moderater Volkspartei und Extremismus. Was uns zurück zum Ausgang bringt – sind Kommunisten ebenso „Extremisten“ wie z.B. Rechtsextreme? Und wo wird die Messlatte angesetzt – warum ist jemand mit deutscher Staatsbürgerschaft wohnhaft in Österreich besser zu behandeln als ein Mensch z.B. aus Syrien oder Serbien?

Kurzfristiges Phänomen?

Weitere Frage: Wären Kommunisten und Sozialdemokraten wirklich an einer hundertprozentigen Integration aller Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich interessiert? Und wie würde ihre ureigenste Wählerklientel reagieren, wenn sich auf einmal eine Partei, die vorgibt, Interessen österreichischer Wähler zu vertreten,, offen für Migration und Integration und Ausländerwahlrecht ausspricht?

Es scheint, als ob die ausländerfeindlichen Tendenzen rechtsextremer Kreise zumindest in Graz und nun Salzburg zurückgewiesen wurden. Abzuwarten bleibt jedoch, ob eine Politik, die lediglich auf bezahlbaren Wohnraum fokussiert, Dankls KPÖ Plus auch bundesweit Türen und Wählerherzen öffnen wird. Ebenso völlig unklar Stand heute ist, wie sich SPÖ und KPÖ Plus zum Thema Migration, Integration und Ausländerwahlrecht verhalten werden.

Zynisch gefragt – werden Kommunisten Angst vor ihrer eigenen Klientel bekommen und „Österreicher“ bevorzugen, oder kann ein Richtungswechsel bevorstehen? Faszinierende politische Zeiten in Salzburg, Graz, anderswo.

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