Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft: Ein kranker Mann Europas? (Others)
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Die renommierte Wirtschaftszeitung Financial Times hat eine seit langem diskutierte Frage wieder aufgegriffen: „Ist Deutschland wieder der kranke Mann Europas?“ Laut dem Artikel leidet die deutsche Wirtschaft unter fünf negativen Trends.

Was ist mit der deutschen Wirtschaft los?

Die Wachstumsrate der Erwerbsbevölkerung (15-64 Jahre) wird im Zeitraum 2025-2029 im Vergleich zum Zeitraum 2019-2023 um 0,66 Prozentpunkte sinken. Der Anteil der öffentlichen Investitionen am BIP (durchschnittlich 2,5 Prozent zwischen 2018 und 2022) ist niedrig. Das BIP pro Kopf ist von 89 Prozent des US-Niveaus im Jahr 2017 auf 80 Prozent im Jahr 2023 gesunken. Deutschland spielt eine unzureichende Rolle in der digitalen Wirtschaft, und die Handelsabhängigkeit der Wirtschaft könnte in einer Zeit zunehmender globaler Fragmentierung negative Auswirkungen haben.

Darüber hinaus zeigen die vom Statistischen Bundesamt am 12. Juli veröffentlichten Daten, dass die Zahl der im April und Mai dieses Jahres Insolvenzanträge stellenden Unternehmen stark gestiegen ist – die Zahlen liegen 25,9 % über dem Vorjahr und wurden mit 33,5 Prozent angegeben. Ein separater Bericht des Beratungsunternehmens Falkensteg, der letzte Woche von Handelsblatt veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Insolvenzen größerer Unternehmen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 41 Prozent zugenommen haben.

Der ZEW-Wirtschaftserwartungsindex fiel im Juli von 47,5 auf 41,8 und blieb damit hinter den Prognosen zurück, womit ein achtmonatiger Aufwärtstrend endete. Das aktuelle NPL-Barometer, erstellt von der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) sowie der Frankfurt School of Finance & Management, zeigt einen signifikanten Anstieg.

Der IWF prognostiziert für Deutschland ein "eher schleppendes" Wirtschaftswachstum aufgrund anhaltender Produktionsschwächen. Die Wachstumsprognosen bleiben mit 0,2 % für dieses Jahr und 1,3 % für das nächste Jahr unverändert.

Wenn man die hier mit Quellen zusammengefassten Probleme der deutschen Wirtschaft bedenkt, ist es nur normal zu fragen, ob die deutsche Wirtschaft krank ist. Ist die deutsche Wirtschaft wirklich krank?

Was sind die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft?

Laut dem IWF-Bericht vom 1. Juli gehört die deutsche Wirtschaft derzeit zu den zehn größten der Welt und liegt mit einem BIP von 4,590 Billionen USD und einem BIP pro Kopf von 54,29 Tausend USD sogar an dritter Stelle nach den USA und China. Laut einem Bericht von PWC wird jedoch prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaft bis 2050 von Platz drei auf Platz neun zurückfallen wird. Es gibt viele Gründe, warum Deutschland in naher und ferner Zukunft finanziell zurückfallen könnte.

Die Ifo-Umfrage zu den Personalressourcen hat gezeigt, dass viele Unternehmen große Schwierigkeiten haben, Arbeitskräfte zu finden. Unternehmen reagieren auf diese Situation, indem sie ältere Mitarbeiter länger beschäftigen. An der Umfrage teilnehmende Ausbildungsbetriebe berichten von einem Rückgang der Bewerberzahlen und einer sinkenden Qualität der Kandidaten. Ein Hauptgrund für den zukünftigen finanziellen Rückgang Deutschlands ist die alternde Bevölkerung. Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften steigt täglich, und dieses Bedürfnis wird durch die Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte zu decken versucht. Allerdings herrscht in Deutschland Verwirrung hinsichtlich der ausländischen Arbeitskräfte. Einerseits werden Kampagnen gestartet, um ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen und das gesunde Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten. Andererseits gewinnen rechtsextreme Gruppen, die Ausländer in Deutschland nicht wollen, an Stärke. Das Erstarken der Rechtsextremen hindert Ausländer daran, sich in Deutschland wohlzufühlen, was dazu führt, dass qualifizierte ausländische Arbeitskräfte eher Länder wie die USA oder Kanada bevorzugen.

Ein weiteres wichtiges Problem der deutschen Wirtschaft sind die niedrigen öffentlichen Investitionen, wie der Artikel in der Financial Times zeigt. Deutschland investiert weniger in seine öffentliche Infrastruktur als jedes andere EU-Land. Während der europäische Durchschnitt seit 2000 jährlich etwa 3,7 Prozent des BIP für staatliche Investitionen ausgibt, liegt Deutschland mit nur 2,1 Prozent des BIP deutlich darunter. Dies behindert das Wirtschaftswachstum und hat gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Ein weiteres Problem ist die Energieabhängigkeit Deutschlands, sowohl heute als auch in Zukunft. Deutschlands Politik gegenüber Russland im Russland-Ukraine-Krieg führt zu zunehmenden Problemen in der Energieabhängigkeit. Das Ende der billigen Gaslieferungen aus Russland erhöht die Kosten in Deutschland und mindert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Andere wirtschaftliche Probleme Deutschlands sind die langsame Digitalisierung im Vergleich zu anderen Ländern, die immer noch schwerfällige Bürokratie und das Zurückbleiben in der digitalen Wirtschaft. Zudem stellt das schnelle Wachstum der chinesischen Wirtschaft und Chinas Übernahme der Dominanz in den Investitionen und im Wettbewerb mit Deutschland langfristig ein erhebliches Problem dar.

Welche strategischen Partnerschaften braucht Deutschland?

Um all diesen wirtschaftlichen Problemen entgegenzuwirken, muss Deutschland die Zusammenarbeit in seiner Region nach dem Prinzip des gegenseitigen Nutzens intensivieren. In diesem Sinne hat Türkiye das Potenzial, ein sehr wichtiger Partner für Deutschland zu sein. Mit ihrer dynamischen Bevölkerung, der wachsenden Wirtschaft und ihrer Lage zwischen Europa und Asien könnten Türkiye und Deutschland durch enge Zusammenarbeit ihre Wettbewerbsfähigkeit sowohl in der Welt als auch in der Region steigern und ihre Volkswirtschaften gegenseitig stärken. Neben den historischen und kulturellen Verbindungen zwischen Türkiye und Deutschland gibt es ein Handelsvolumen von etwa 50 Milliarden Dollar. Diese Zahl mag hoch erscheinen, kann jedoch durch verstärkte Kooperationen noch weiter steigen. Leider verhindert jedoch die ideologische Haltung deutscher Politiker, insbesondere der jüngste Trend zum Rechtsextremismus, das Potenzial zwischen den beiden Ländern.

Die deutsche Wirtschaft ist derzeit immer noch eine bedeutende Macht in der Welt, aber Untersuchungen zeigen, dass die deutsche Wirtschaft langfristig im Wettbewerb mit anderen Ländern zurückfallen wird. Es ist vielleicht noch zu früh, die deutsche Wirtschaft als krank zu bezeichnen, aber die Vergleiche mit anderen Ländern in Bezug auf die Zukunft zeigen, dass Deutschland zunehmend erkranken wird. Um dies zu verhindern, muss Deutschland neue Strategien entwickeln, neue regionale Partnerschaften eingehen oder bestehende Partnerschaften vertiefen.

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