Die Geschichte der Türken in Deutschland bzw. den ehemaligen deutschen Kleinstaaten geht zurück bis in die Frühe Neuzeit. Die zunächst kriegerischen Kontakte des 16. und 17. Jahrhunderts wandelten sich vor allem im 18. Jahrhundert in partnerschaftliche Beziehungen zwischen dem Königreich Preußen und dem Osmanischen Reich. Anfangs kamen türkische und muslimische Kriegsgefangene nach Deutschland, die mehrheitlich assimiliert wurden. Daraufhin nahmen der preußische König und der osmanische Sultan diplomatische Beziehungen auf. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts kamen Studenten, Praktikanten, Auszubildende und Arbeiter hauptsächlich nach Berlin. Während des Ersten Weltkriegs zogen die Türken sogar an der Seite des Deutschen Reiches in den Krieg. Bildungspolitische, soziale, kulturelle, wirtschaftliche, diplomatische und militärische Bündnisse durchziehen bis heute die Geschichte der deutsch-türkischen Begegnung. Mit der Anwerbung von Arbeitskräften aus der Türkei kam in den 1960er Jahren die große Mehrzahl der Türken nach Deutschland.
Kontakte während des Kaiserreichs
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg kooperierten das Deutsche und das Osmanische Reich sowohl wirtschaftlich als auch politisch und militärisch eng miteinander. Die heute noch oft beschworene „Waffenbrüderschaft“ war ein Grund für die Fortführung freundschaftlicher Kontakte beider Staaten. Für die Modernisierung des türkischen Heeres wurden mehrere Tausend preußische Offiziere und Generäle nach Istanbul gerufen, sodass die Anzahl deutscher militärischer und technischer Berater sowie Ausbilder kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges die 50.000 Marke überschritten hatte. Deutsche Heeresoffiziere wie der spätere Generalstabschef Helmuth von Moltke waren schon vor der Reichsgründung, bereits im Jahre 1836, als Militärberater nach Istanbul geschickt worden. Infolgedessen nahmen nach Erkenntnissen des Nahost-Experten Peter Heine „Generationen von osmanischen Offizieren [...] an einer Generalstabsausbildung in der preußischen und später der deutschen Armee teil“ und bekleideten Spitzenpositionen in der osmanischen und der türkischen Politik. Ergänzend fügt der Orientalist Bassam Tibi hinzu:
„Parallel zum Kaiser-Sultan-Bündnis entstanden nicht-staatliche Kontakte: deutsche Bankiers und Offiziere strömten in das Reich der Osmanen. Die Deutsche Bank gab Kredite zum Bau der damals berühmten Bagdad-Bahn, und das osmanische Heer kam unter das Kommando deutscher Generäle wie Limon von Sanders und Erich von Falkenhayn, während Admiräle wie Wilhelm Souchon in die Befehlsstruktur der osmanischen Flotte integriert waren.“
Kaiser Wilhelm II. bekräftigte 1898 während einer Reise durch das Osmanische Reich, er sei ein Freund und Verbündeter des Islam und der Türken:
„Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, die, auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, daß zu allen Zeiten der deutsche Kaiser ihr Freund sein wird.“
Diese Rede des Kaisers, die kurz darauf in aller Welt Aufsehen erregte, markierte einen weiteren Höhepunkt in den deutsch-türkischen Beziehungen. Als Folge dieser freundschaftlichen Bindung nahm auch die wirtschaftliche Kooperation zu. 1912 lebten in Berlin etwa 1350 Türken. Die meisten dieser türkischen Staatsbürger arbeiteten in den großen Industriebetrieben Berlins, z.B. bei der AEG, vor allem aber in der Zigarettenindustrie. Neben den ökonomischen Beziehungen wurde auch die Zusammenarbeit im Bereich der Bildung und Erziehung verstärkt. So kamen 13.000 türkische Schüler und Auszubildende zum Erlernen und Aneignen technischen Fortschritts nach Deutschland. Die Mehrheit dieser Jugendlichen waren Kriegswaisen, die durch staatliche Stipendien unterstützt wurden. Kurze Zeit später gab es schon ein weiteres Lehrlingsabkommen zwischen beiden Regierungen, sodass 1917 erneut 750 türkische Jugendliche aus Istanbul nach Berlin kamen, um hier eine Ausbildung zu beginnen. Diese bildungspolitischen Kontakte blieben aber nicht einseitig. Es gab auch deutsche Jugendliche, die an den Bosporus reisten. Demnach spricht der Historiker Latif Çelik von 215 Schülern aus Deutschland, die „zum Studium der Architektur, Landwirtschaft und Bodenschätze“ in das Osmanische Reich gingen.
Älteste Moschee Deutschlands
Im Ersten Weltkrieg nahm die Türkei durch ihre engen politisch-militärischen und wirtschaftlichen Verflechtungen zu Preußen an der Seite des Deutschen Reiches teil. Dieser Krieg brachte Deutschland aber auch 15.000 muslimische Kriegsgefangene, die auf der Seite der Entente für ihre Kolonialherren hatten kämpfen müssen. Um diese Menschen, unter denen sich auch der Sultan-Kalif als Oberhaupt der Muslime befand, auf die Seite der Mittelmächte zu bekommen, errichtete die Reichs- und Heeresführung den Gefangenen 1915 eine Holzmoschee in dem Gefangenenlager, dem so genannten „Halbmondlager“ in Wünsdorf bei Berlin. Die Gebetsstätte, die 1924 wegen Baufälligkeit geschlossen werden musste, wird von Historikern wie Gerhard Höpp als „vermutlich erste [Moschee], die in Deutschland und Mitteleuropa für Muslime errichtet worden ist“ angesehen. Diese These wird von vielen Wissenschaftlern geteilt. Aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten wurde die erste Moschee Deutschlands am 27. Januar 1930 abgerissen.
Zwischen den Weltkriegen
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen bildeten sich die ersten muslimischen und türkischen Gemeinden auf deutschem Boden. Hauptsächlich gab es nach dem Ersten Weltkrieg türkische und muslimische Studenten sowie Geschäftsleute in und um Berlin, die sich vorwiegend in nationalitätenübergreifenden muslimischen Vereinen organisierten. Im November 1922 wurde die Islamische Gemeinde zu Berlin e.V. als erste religiöse Vereinigung der Muslime mit Vertretern aus 41 Nationen gegründet. Sie existierte bis 1945 weiter. Einer der ersten türkischen Vereine auf deutschem Boden war die „Deutsch-Türkische Vereinigung (DTV)“. Sie wurde 1914 in Berlin gegründet und diente der Förderung deutscher kultureller und wirtschaftlicher Interessen im Osmanischen Reich. Nach Informationen des 2016 verstorbenen Journalisten und Direktors des Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland, Muhammad Salim Abdullah, gab es einen gleichnamigen Verband, der ebenfalls in Berlin, jedoch etwa zehn Jahre später, am 27. Dezember 1924 mit religiösem Schwerpunkt in Berlin ins Leben gerufen wurde. Auch diese Organisation konnte sich wie viele andere türkische Verbände wegen finanzieller Not nicht lange halten.
Deutsche Emigration in die Türkei
Während der Zeit des Nationalsozialismus gab es nicht nur unter den Türken eine Rückwanderung in die Heimat. Ebenso emigrierten vor und während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche deutsche, deutsch-jüdische und Schweizer Intellektuelle sowie Hochschullehrer in die Türkei. Die Mehrheit dieser Akademiker floh vor rassistischer und politischer Verfolgung aus Deutschland. Der Münchner Turkologe Nico Sandfuchs nennt allein 80 deutsche Professoren. Sie unterstützten die Modernisierung der Türkei, die während des Zweiten Weltkriegs neutral blieb, und verbesserten die wissenschaftliche Arbeit, indem sie Studenten ausbildeten, Lehrbücher publizierten sowie landesbezogene Forschungen durchführten. Die Historikerin Gisela Sellin nennt in ihrem Aufsatz „Exil in der Türkei“ Namen wie Albert Eckstein, Paul Pulewka und Alfred Kantorowicz, die an der Reform des türkischen Gesundheitssystems beteiligt waren. Außerdem trugen Intellektuelle wie Martin Wagner, Hans Poelzig, Bruno Taut und viele weitere zur Modernisierung der Architektur bei. Zudem engagierten sich Carl Ebert, Ernst Praetorius, Eduard Zuckmeyer und Paul Hindemith im Bereich der Musik. Einer der bekanntesten politischen Emigranten war der SPD-Reichstagsabgeordnete Ernst Reuter. Er wurde sogar zum Berater im türkischen Wirtschaftsministerium in der türkischen Hauptstadt und übernahm 1938 einen Lehrstuhl für Kommunalwissenschaften an der Universität in Ankara.
Nach 1945 lebten hauptsächlich muslimische Studenten, Kaufleute, Händler und Flüchtlinge in Deutschland. Die sogenannten Muslimflüchtlinge waren islamische Bürger der Sowjetunion und des Balkans, die im Krieg zur deutschen Seite übergelaufen waren und bei Kriegsende vor den Russen nach Süddeutschland flohen.
Die Existenz der Türken auf deutschem Boden nach Gründung des Kaiserreichs und zwischen beiden Weltkriegen verdeutlicht, dass das türkische Leben in Deutschland nicht erst mit dem Anwerbeabkommen von 1961, sondern weit davor begann – auch wenn die Präsenz quantitativ nicht miteinander zu vergleichen ist.