Archivbild. 06.04.2022, Ukraine, Butscha: Ein ukrainischer Soldat steht neben zerstörten russischen Panzer in Butscha am Stadtrand von Kiew. (dpa)
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Als die ukrainische Territorialverteidigung am 2. April in Butscha, einem Vorort von Kiew, einrückt, bietet sich den Soldaten ein grauenvolles Bild. Überall auf den Straßen liegen erschossene ukrainische Zivilisten, einige an den Händen gefesselt. Es sind Bilder des Grauens, die um die Welt gehen, und zu Recht regt sich die Öffentlichkeit über den Terror der russischen Armee gegen unbewaffnete Zivilisten auf.

Butscha ist kein Einzelfall

Völlig zerstörte Siedlungen und Straßenzüge, die mit Leichen übersät sind. In einem Filmbeitrag ist ein am Straßenland liegender Mann zu sehen, der vermutlich nur etwas zu essen holen wollte, neben ihm ein Beutel Kartoffeln. Wenn Tote sprechen könnten, würde die Sinnlosigkeit eines solchen Krieges zutage treten. Vom Massaker an mehreren Hundert Zivilisten in Butscha konnte die Öffentlichkeit erfahren, weil die russische Armee aus der Region der Hauptstadt Kiew abzog. Allerdings ist Butscha kein Einzelfall, weil es auch Berichte über weitere Verbrechen in den ostukrainischen Städten Borodjanka oder Trostjanez gibt, bei denen russische Soldaten Plünderungen und Folterungen durchgeführt haben sollen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat Fälle von Vergewaltigungen und Hinrichtungen dokumentiert.

Chodschali: Eine vergessene Kleinstadt Aserbaidschans, in der eines der schlimmsten Massaker seit Ende des Zweiten Weltkriegs verübt wurde

Zahlreiche Medien berichteten von einer Strategie der russischen Armee gegen Zivilisten, Angst und Schrecken unter der Bevölkerung zu verbreiten. Es wurden Artikel veröffentlicht, die das blutige Massaker von Butscha als Völkermord bezeichneten, und Konsequenzen gefordert. Russlands Verbündeter im Kaukasus, Armenien, hat mit seinen Streitkräften vor 30 Jahren, in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1992, mit tatkräftiger Unterstützung des motorisierten 366. Infanterieregiments in der aserbaidschanischen Ortschaft Chodschali eines der grauenvollsten Massaker seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa begangen. Niemand in den westlichen Ländern konnte oder wollte in jener dunklen und kalten Februarnacht von 1992 die hilflosen Schreie kleiner Kinder und ihrer Mütter sowie Älterer hören, als die armenischen Mordkommandos nach dem Leben dieser Menschen trachteten.

In dieser schrecklichen Nacht wurden über 613 Zivilisten (Frauen, Kinder und Alte) mit unglaublicher Brutalität auf bestialische Weise ermordet und die Ortschaft komplett zerstört. Viele Zivilisten in Chodschali verloren in den ersten Stunden durch armenischen Granatbeschuss ihre Leben, und das erwähnte Infanterieregiment, ein Überbleibsel der untergegangenen Sowjetunion, bestand überwiegend aus ethnischen Armeniern, die an der Erstürmung der Stadt beteiligt waren.

Hinterhalt im Korridor

Die armenischen Angreifer forderten über Lautsprecher die in Chodschali verbliebenen Menschen auf, die Stadt zu verlassen, da ein Korridor für sie geöffnet worden sei. Mit der Angst in den Augen und der Hoffnung auf ein Überleben verließen die übrig gebliebenen Zivilisten über den erwähnten Korridor die Ortschaft, um nach Ağdam zu gelangen. Es war eine heimtückische Falle, denn kaum hatten sich die Bewohner auf den Weg gemacht, wurde aus automatischen Waffen das Feuer auf die unbewaffneten Zivilisten eröffnet.

Die armenischen Kriegsverbrecher von Chodschali wurden nie zur Verantwortung gezogen

Bis heute bleibt der Massenmord von Chodschali ungesühnt, und die Verantwortlichen dieses Verbrechens wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Sersch Sargsyan befehligte zu jener Zeit die armenische Armee sowie paramilitärische Einheiten in Berg-Karabach, die Kriegsverbrechen an wehrlosen Zivilisten verübten. Einer der Hauptverantwortlichen für die massenhaften Gewaltverbrechen in Karabach sind Sersch Sargsyan und Robert Kotscharyan. Beide waren nach dem Krieg in unterschiedlichen Funktionen als Verteidigungsminister, Ministerpräsidenten und Präsidenten Armeniens tätig. In den letzten drei Jahrzehnten ist es niemandem in der EU, der OSZE oder anderen Organisationen eingefallen, die Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.

Sowohl Sargsyan als auch Kotscharyan besuchten in ihrer Amtszeit viele Länder, in denen ihnen der rote Teppich ausgerollt und so getan wurde, als sei in Chodschali nichts, aber auch gar nichts passiert. Es gibt zwischen dem Verbrechen von Butscha und dem Massenmord von Chodschali gewisse Parallelen: So, wie die russische Regierung eine Beteiligung russischer Einheiten an dem Gemetzel in dem Kiewer Vorort immer wieder zurückweist, hatte auch die damalige armenische Führung eine Verantwortung für die Abschlachtung von aserbaidschanischen Zivilisten bestritten und die Regierung in Baku beschuldigt. Srgsyan war es auch, der später in einem Interview die armenischen Gräueltaten an aserbaidschanischen Zivilisten in Chodschali zugab.

Der aserbaidschanische Journalist und Kameramann Tschingis Mustafajyev war nach dem Chodschali-Massaker in der Region und dokumentierte das ganze Ausmaß der armenischen Gräueltaten filmisch. Unter den vielen Toten befanden sich zahlreiche Kinder, Frauen und ältere Menschen, denen aus nächster Nähe in den Kopf geschossen worden war. Am 15. Juni 1992 wurde Mustafajyev bei einem Feuergefecht zwischen der aserbaidschanischen und armenischen Armee in einem Dorf bei Chodschali verwundet und erlag später seinen Verletzungen.

Die im Russland-Ukraine-Krieg von russischen Einheiten verübten Massaker, Vergewaltigungen und Plünderungen in Butscha, Borodjanka, Trostjanez usw. können nicht als Fehlverhalten von Soldaten oder Vorgesetzten betrachtet werden.

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