Der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan hat am Freitag den Goethepreis der Stadt Frankfurt erhalten. Die Auszeichnung ist mit 50.000 Euro dotiert und wird alle drei Jahre am Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes verliehen. Ähnlich wie Goethe schildere Karahasan Grenzerfahrungen, sagte der Schriftsteller Ingo Schulze in seiner Laudatio.
Während Goethe etwa in seiner Beschreibung der Kanonade von Valmy den Beginn einer Epoche geschildert habe, bedeutete die Erfahrung der Belagerung von Sarajevo für Karahasan „das Ende der Aufklärung“, eine Entwicklung weg von Demokratie. Schulze zitierte aus Werken des bosnischen Schriftstellers, der im Alter von 39 Jahren die '
Belagerung Sarajevos erlebt hatte und etwa beschrieb, wie die Menschen nach nächtlichen Raketenangriffen „weiß vor Angst und Schlaflosigkeit“ aus den Kellern in ihre Wohnungen zurückkehrten. Seine Figuren seien „so lebendig und widersprüchlich wie wir selbst“.
In seiner Dankesrede sprach Karahasan über den Einfluss Goethes auf sein Denken und Schreiben, vor allem mit Blick auf Individualität. „Alles Wesentliche, was ich über das Leben weiß, habe ich durch Lesen gelernt“, sagte der Schriftsteller. Von Goethe habe er das gelernt, was er „organisches Erzählen“ nenne. „Wenn ich es schaffe, so zu erzählen, braucht der Text meine Stimme nur bis zu einem bestimmten Punkt.“ Dann verselbstständigten sich die Figuren, sagte er über den Prozess des Lesens.
Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), der Karahasan den Preis überreichte, sagte, das Werk des Schriftstellers stehe für die „Verbindung zwischen Ost und West“, und zwar sprachlich und emotional.
Das Werk von Karahasan umfasst Romane, Dramen, Essays und theoretische Schriften. Die Auszeichnung sei ein Bekenntnis zu Toleranz und Verständigung, hieß es in der Begründung der Preisverleihung an den Schriftsteller. Es sei ein Werk, das sich der Vermittlung zwischen Ost und West, zwischen Islam und Christentum verschrieben habe.
29 Aug. 2020
Bosnischer Schriftsteller Dževad Karahasan erhält Goethepreis 2020
Der Schriftsteller und Überlebender der Belagerung von Sarajevo, Dževad Karahasan, hat den Goethepreis verliehen bekommen. Sein Werk stehe für die „Verbindung zwischen Ost und West“, sagte Frankfurts Oberbürgermeister bei der Zeremonie.
dpa
Ähnliche Nachrichten
Selbe Kategorie
Ankara: „Manifest der Hoffnung“ trifft sich mit Kunstliebhabern
Die Malerin Betül Burnaz ist mit ihren neuen Werken zum Thema Palästina im Foyerbereich der türkischen Nationalbibliothek in Ankara zu sehen. Es sei ihr wichtig, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, betont Burnaz im Gespräch mit TRT Deutsch.
Massimo Osti: Wie ein Mann aus Bologna die Kleidung revolutionierte
Mit seinem Erfindergeist erschuf er futuristische Kleidung wie aus Blade Runner. Jacken mit plötzlichem Farbwechsel oder mit Schutz vor radioaktiver Strahlung. Massimo Ostis Experimentierfreude sollte die Branche grundlegend verändern. Ein Porträt.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.