Instagram - Archivbild (Reuters)
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2018 knackte Instagram die magische Marke von einer Milliarde User weltweit.

Allein in Deutschland sind es rund 15 Millionen. Viele nutzen die Plattform jeden Tag, um Fotos von sich zu präsentieren - oder Bilder von anderen anzuschauen. Ein neues Buch warnt nun Instagram-Nutzer. Das soziale Netzwerk habe ein großes Suchtpotenzial, schreibt die Autorin Nena Schink (27) in „Unfollow - Wie Instagram unser Leben zerstört“, das am Freitag (7. Februar) auf den Markt kommt.

Schink, die sich als Wirtschafts-Journalistin mit Instagram und dem Phänomen Influencer befasst hat, kommt zu drastischen Urteilen: „Ich vergleiche meine Instagram-Aktivität gerne mit meiner Vorliebe für Zigaretten“, schreibt sie. „Die eine Angewohnheit schadet meiner Seele. Die andere meinem Körper.“

Autorin und Journalistin Nena Schink (DPA)

„Facebook wurde gegründet, um mit Freunden in Verbindung bleiben zu können, LinkedIn, um beruflich voranzukommen. Aber auf Instagram gibt es nichts anderes als die Aufmerksamkeit der anderen zu gewinnen. Deswegen mutieren wir alle eigentlich zu Arschlöchern und es herrscht nichts vor als soziale Angeberei.“

Challenges und andere Druckmittel

Was sie meint, zeigt ein Blick auf die derzeit so populäre Dolly-Parton-Challenge: Nach dem Vorbild der Country-Ikone, die die Idee populär machte, zeigen sich Promis und Normalo-User unter dem Hashtag #DollyPartonChallenge derzeit in verschiedenen Rollen: seriös für LinkedIn, relativ normal für Facebook, sexy für Tinder - und grenzenlos cool, stylish und gerne in Begleitung prominenter Bekannter bei Instagram.

Die Esslinger Psychologin Friederike Gerstenberg vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) sagt: „Je kommerzieller die Plattform wird, desto eher werden algorithmusfreundliche Posting-Manöver eingehalten. Und das wiederum kann sowohl bei der postenden als auch bei der folgenden Person zu Druck führen.“

Nach Angaben des 2017 gegründeten Bundesverbandes Influencer Marketing (BVIM) stand die Branche im vergangenen Jahr kurz davor, die Milliarde zu knacken. Der Verband geht davon aus, dass der Branchenumsatz in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2020 bei 990 Millionen Euro liegen wird. Schätzungsweise verdienen im deutschsprachigen Raum bis zu 165 000 Menschen mit Instagram, Blogs oder Youtube-Videos Geld.Und so ist ein großes Thema in Schinks Buch auch - der Kommerz.

Eigenerfahrung verarbeitet

Schink seziert das Geschäftsmodell Influencerin, schreibt, wie entzaubernd es sein kann, die Frauen, die ein perfektes Instagram-Leben inszenieren, in der echten Welt zu treffen. Ein eigenes Kapitel widmet sie dem „Influencer-Wahnsinn auf dem Oktoberfest“.

Sie verarbeitet in ihrem Buch allerdings auch ihre eigene Geschichte. Denn nach einem Selbstversuch mit dem Arbeitstitel „Wie werde ich Influencer?“ drehte sich auch bei ihr jahrelang alles um Instagram. Irgendwann aber, so schildert sie es, geriet das Ganze aus dem Ruder.

Als sie - die sich eigentlich für eine Feministin hielt - sich im knappen Bikini auf einer Wassermelonen-Luftmatratze räkelte, sei sie am Tiefpunkt angekommen. Bis zu zwei Stunden täglich habe sie auf Instagram verbracht. „14 Stunden wöchentlich, 672 Stunden jährlich. 28 Tage. Ein Monat. Hochgerechnet: fünf volle Jahre meines Lebens.“

Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen

Schink ist nicht die einzige, die eine Social-Media-Suchtgefahr sieht. Laut einer Studie der Krankenkasse DAK und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) von 2018 erfüllen 2,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland die Kriterien für eine Abhängigkeit.

Jungen und Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren verbringen demzufolge durchschnittlich rund zweieinhalb Stunden täglich mit sozialen Medien.

„Durch die intensive Nutzung entstehen gesundheitliche Probleme“, heißt es dazu in einer Mitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. „Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen.“ Auch Superstar Selena Gomez (mit rund 165 Millionen Followern in den weltweiten Top Fünf bei Instagram) machte in einem „Vogue“-Interview vor drei Jahren ihre Abhängigkeit von der Plattform öffentlich.

„Ich möchte Instagram nicht verteufeln“, sagt die Psychologin Gerstenberg. Ein Suchtpotenzial der Plattform sieht sie dennoch. „Die Mediensucht ist vor allem für Personen mit geringem Selbstwert ein Problem, da sie sich häufig von der perfekt inszenierten Insta-Welt schwer distanzieren können und unter Posting-Druck geraten“.

Im Silicon Valley in Kalifornien seien nicht nur Informatiker beschäftigt, „sondern auch eine ganze Reihe von PsychologInnen, die genau darauf angesetzt sind, uns durch Signalfarben, Herzchen (...) und andere psychologische Tricks bei der Stange zu halten“, sagt Gerstenberg. „Viele der verwendeten Methoden würde ich als Psychologin als unethisch bezeichnen und nicht am Wohl der Menschen ausgerichtet.“

Instagram: Wohlfühlort?

Instagram gibt sich verantwortungsbewusst und verweist auf Anfrage auf Werkzeuge zum Zeitmanagement und den medienwirksam eingeführten Test, die Likes nicht mehr anzuzeigen. „Wir testen dies, weil wir wollen, dass Instagram ein Ort ist, an dem sich die Menschen wohlfühlen, wenn sie sich ausdrücken“, heißt es in einem Statement des Netzwerks. „Dazu gehört auch, ihnen zu helfen, sich auf die Fotos und Videos zu konzentrieren, die sie teilen, und nicht darauf, wie viele Likes sie bekommen.“

Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) sieht die ganze Sache längst nicht so schwarz wie Schink in ihrem Buch. „Suchtverhalten kann in vielen Lebensbereichen vorkommen, das ist kein typisches Phänomen von sozialen Medien“, sagt sie auf Anfrage. Wichtig sei ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang damit.

Aus Bärs Sicht ist Instagram zu einem wichtigen Medium geworden, mit der „Möglichkeit, direkt und unmittelbar zu kommunizieren“. Auch ihr selbst mache Instagram als „privates Poesiealbum“ Spaß. Und außerdem: „Mir ist der Umgangston bei Instagram allemal lieber als zum Beispiel bei Twitter, wo ich tagtäglich Beleidigungen ausgesetzt bin.“

dpa