Die schwedische Initiatorin von Fridays for Future, Greta Thunberg, hat Deutschland kurz vor der Bundestagswahl als „einen der größten Klima-Bösewichte“ bezeichnet. „Deutschland ist der viertgrößte Kohlenstoffdioxid-Emittent in der Geschichte, und das bei einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen“, sagte Thunberg am Freitag vor dem Bundestag. „Deutschland ist objektiv gesehen einer der größten Klima-Bösewichte.“
In ihrer Rede, die von Applaus und Zustimmung der Anwesenden begleitet wurde, forderte sie eine „Veränderung des Systems“. Man könne sich aus der behaupteten Krise nicht „herausinvestieren, bauen oder kaufen“, so Thunberg. „Und je länger sie so tun, als könnten wir die Krise innerhalb des heutigen Systems lösen, desto mehr Zeit verlieren wir.“
Kurz vor der Bundestagswahl hat die Klimaschutzbewegung Fridays for Future in hunderten deutschen Städten für einschneidendere Maßnahmen zur Begrenzung der globalen Erwärmung demonstriert. Nach Angaben der vor allem von jungen Menschen getragenen Bewegung gab es bei dem bundesweiten Klimastreik am Freitag Aktionen in fast 500 Gemeinden. In Berlin, Hamburg und München kamen dabei jeweils viele tausend Teilnehmer zusammen, darunter auch zahlreiche Prominente.
Berlin: 100.000 Demonstranten bei Fridays for Future
Die Schätzungen zur Teilnehmerzahl von Veranstaltern und Polizei wichen teils erheblich voneinander an. In Berlin, wo die Beamten generell keine eigenen Zahlen nennen, sprach Fridays for Future von 100.000 Demonstranten. In Hamburg meldete die Polizei rund 21.000 Demonstranten, die Organisatoren nannte eine Zahl von 80.000. In München versammelten sich laut Polizei etwa 12.500 Menschen, nach Angaben von Fridays for Future aber knapp 30.000. In der Hauptstadt zogen die zahlreichen Teilnehmer mit Plakaten vom Bundestag durch die Stadt. Darauf standen Botschaften wie „Naturgesetze unterliegen keiner Legislative“ oder „Wofür Abi wenn ich eh keine Zukunft habe!?“ Fridays for Future drängt auf Klimaschutzmaßnahmen, die einen weltweiten Temperaturanstieg noch auf eineinhalb Grad Celsius begrenzen. Das entspricht dem 2015 im Klimaschutzabkommen von Paris international vereinbarten Ziel. Die Bewegung selbst kritisierte die Parteien. „Während die Klimakrise eskaliert, belügt man uns im Wahlkampf mit Schein-Lösungen und Märchen vom grünem Wachstum“, erklärte die Bewegung im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Die größte Aufgabe unserer Generation werden wir ohne unseren Druck nicht bewältigen.“
„Weiter so geht nicht“
Auch andernorts unterstützten Prominente die Demonstranten, so etwa in Hamburg der Musiker Jan Delay. An dem Streik beteiligten sich erneut auch zahlreiche andere Organisationen und Verbände - darunter die Gewerkschaft Verdi, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Deren Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Sturm nahm in Hannover an einer Demonstration teil. „Weiter so geht nicht“, erklärte er. Auch die Kirche sehe sich dabei „in der Pflicht“. Die Aktionen in Deutschland waren dabei Teil eines erneuten weltweiten Klimastreiks von Fridays for Future in mehr als 100 Ländern. Es war deren insgesamt achte globaler Streik seit 2019.
Scholz: „Dankbar für das Engagement von Fridays for Future“
Auch Politiker beteiligten sich am Freitag an den Protesten. Die Spitzenkandidaten der Grünen bei der Bundestagswahl, Annalena Baerbock, nahm in Köln an einer Demonstration von Fridays for Future teil. Die Wahl am Sonntag sei eine „Klimawahl“, schrieb sie in Kurzbotschaftendienst Twitter. Die Demonstrationen vieler Menschen machten deutlich, dass diese „den Aufbruch“ wollten.
Unterstützend äußerte sich auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: „Ich bin dankbar für das Engagement von Fridays for Future. Sie haben mitgeholfen, dass Klimaschutz oben auf der Agenda steht“, schrieb er auf Twitter. Die Klimastreiks lobte er als „richtig“.
Die Veranstalter von Fridays for Future äußerten sich über den Tweet von Scholz allerdings irritiert. „Wir wollen die gute Stimmung ja nicht zerstören, aber wir bestreiken heute Deine Regierung, Olaf“, schrieben sie auf Twitter. Die Aktivistinnen Neubauer und Carla Reemtsma kritisierten Scholz dort wegen seines Festhaltens an einem Kohleausstieg erst 2038.