Deutschlands Gesundheitswesen ist nicht frei von strukturellem Rassismus. Dies beklagen antirassistische Verbände und verweisen auf Berichte Betroffener, die ähnliche Beobachtungen wie bereits zuvor aus den USA, Kanada und Großbritannien bekannt bestätigten. Das „Ärzteblatt“ hat dem Thema „Rassismus im Gesundheitswesen“ einen Schwerpunkt in seiner aktuellen Printausgabe gewidmet und angekündigt, dass dazu in absehbarer Zeit auch Daten präsentiert würden.
Höhere Sterblichkeit unter ausländischen Staatsbürgern in der Pandemie
So soll im März 2023 der erste „Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor“ (NaDiRa) zu diesem Thema erscheinen. Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hat die Federführung über das Projekt inne, an dessen Ende die erste repräsentative quantitative Erhebung zu den gesundheitlichen Folgen von Rassismus in Deutschland stehen soll.
Der Afrozensus und eine jüngst vorgestellte Studie zu Todesfällen bei ausländischen Staatsangehörigen während der Pandemie haben dem Ärzteblatt zufolge bereits erste Hinweise erkennen lassen, wonach es auch im deutschen Gesundheitswesen Fälle der Diskriminierung gibt.
Auf sehr sichtbare Weise hätte sich dies in der Hochphase der Corona-Pandemie gezeigt. Basierend auf der Sterbefällestatistik des Statistischen Bundesamts haben Forscher der Universitäten Freiburg, Frankfurt und Berlin demnach herausgefunden, dass es unter ausländischen Staatsangehörigen zwischen Januar und August 2021 gleich um 4500 Todesfälle mehr gegeben habe als im Vergleichszeitraum vor der Pandemie.
Afrozensus erhob Diskriminierungserfahrungen in Gesundheit und Pflege
Faktoren, die zu der höheren Sterblichkeit beigetragen hätten, seien unter anderem schlechtere Wohn- und Arbeitsverhältnisse, ein eingeschränkter Zugang zu gesunder Ernährung und die häufigere Nutzung öffentlicher Transportmittel gewesen.
Die Forscher räumten jedoch ein, dass die bloße Staatsangehörigkeit ein unzureichendes Kriterium sei, um strukturelle Diskriminierungen oder Rassifizierungen in einer Weise abbilden zu können, die dem jeweiligen Phänomen gerecht werde.
Der Afrozensus aus dem Jahr 2021 präsentierte wiederum Daten zu Bildung und Gesundheit, die auf Interviews mit 3385 Personen beruhten, die angaben, mindestens einmal diskriminiert worden zu sein. Dabei erklärten etwa zwei Drittel der Befragten, sie hätten in Bereichen wie Gesundheit oder Pflege Diskriminierung erfahren. Von den Betroffenen erklärten 70 Prozent, ihre Hautfarbe oder ethnische Herkunft sei der Anlass dazu gewesen, knapp 30 Prozent sagten, es wäre ihr Name gewesen. Die Daten seien jedoch nicht repräsentativ, räumen die Ersteller der Studie ein.
Mehrere tausend Personen mit Community-Bezug sollen befragt werden
Dr. Cihan Sinanoğlu, der Leiter der Geschäftsstelle für den NaDiRa, erklärte gegenüber dem Ärzteblatt: „Die Coronapandemie und ihre Folgen haben die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Rassismus, sozialer Ungleichheit und Gesundheit neu gestellt.“ Nun wolle man wissen, „welche Diskriminierungserfahrungen rassifizierte Gruppen beim Zugang ins Gesundheitssystem und in der Versorgung machen“.
Weitere Schwerpunkte würden das Thema des „rassistischen Wissens in der ärztlichen Ausbildung“ und die „Community-Perspektiven von Ärztinnen und Ärzten“ sein. Es sollen in diesem Zusammenhang mehr als 3000 Menschen aus mehrheitlich muslimischen Herkunftsländern, asiatischen Ländern und aus Subsahara-Afrika befragt werden. Als Kontrolle dienten 3500 Menschen aus der Gesamtbevölkerung, so das Ärzteblatt.
Stereotype gegen Schwarze führen zu Behandlungsfehlern
Ngozi Odenigbo, selbst Ärztin und Gründerin des Netzwerks „Black in Medicine“, will sich ebenfalls in das Projekt einbringen. Sie spricht von Stereotypen seitens der Ärzteschaft, mit denen Schwarze in Deutschland konfrontiert seien. „Sie erleben Othering, berichten, oftmals mit ihren Beschwerden, zum Beispiel Schmerzen, nicht ernst genommen zu werden“, betont Odenigbo. Das habe nicht selten auch Auswirkungen. „Stereotype und fehlerhafte Annahmen über Schwarze, Indigene und People of Color verursachen schwere Behandlungsfehler“, unterstreicht auch das Bundesfachnetz Gesundheit und Rassismus.
Die Ergebnisse der Studie sollen auch helfen, Empfehlungen zu formulieren, um Rassismus im Gesundheitswesen zu verhindern.
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