Verfahren vor den deutschen Strafgerichten dauern laut einem Bericht der Funke Mediengruppe so lange wie noch nie. Bei den Landgerichten sei die durchschnittliche Laufzeit erstinstanzlicher Strafverfahren im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchstwert von 8,1 Monaten gestiegen, meldeten die Zeitungen der Gruppe am Samstag. Das seien 1,8 Monate mehr als 2010, zitierten sie den Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn. Bei den Amtsgerichten habe sich Verfahrensdauer bis in diesem Zeitraum von 3,8 auf 4,6 Monate verlängert.
Die Strafgerichte arbeiteten am Limit, sagte Rebehn und nannte zwei Ursachen. „Zum einen werden Strafverfahren immer aufwendiger, weil Straftaten komplexe Auslandsbezüge aufweisen und die auszuwertenden Datenmengen in der digitalen Welt dramatisch zunehmen, während es vielfach noch an innovativen Werkzeugen für computergestützte Datenauswertungen fehlt.“ Zum anderen sei die Personaldecke der Strafjustiz nach wie vor zu kurz. Stellenzuwächse seien durch neue gesetzliche Aufgaben weitgehend aufgezehrt worden.
Den neuerlichen Anstieg im Corona-Jahr 2020 wertet der Richterbund nicht als pandemiebedingten Ausreißer. Vielmehr bestätigten die Verfahrenslaufzeiten in Strafsachen einen mittelfristigen Trend. Rechne man die Verfahrensdauer vor dem Landgericht schon ab Eingang bei der Staatsanwaltschaft, dauerten die erstinstanzlichen Verfahren im vergangenen Jahr sogar 20,3 Monate, volle drei Monate länger als 2010, hieß es. Beim Amtsgericht waren es demnach durchschnittlich 5,3 Monate bis zum Urteil, was einem Plus von 1,2 Monaten entspricht.
Mit exakt 4.996.494 Verfahren haben die Staatsanwaltschaften 2020 die zweithöchste Fallzahl der vergangenen 20 Jahre erledigt, wie der Richterbund ermittelt hat. Etwa jedes vierte Verfahren haben die Strafverfolger nach Ermessensvorschriften ohne Auflagen eingestellt, etwa wegen Geringfügigkeit. Weniger als acht Prozent aller bearbeiteten Fälle mündeten in eine Anklage.