Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die an diesem Freitag den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage der Stadt Wiesbaden erhält, hat sich kurz vor der Preisvergabe für mehr Dialog zwischen Bürgern und Polizei ausgesprochen. „Wir müssen mehr miteinander sprechen. Nur so kann Vertrauen geschaffen werden“, sagte sie. Die Juristin, die im Münchner NSU-Prozess als Nebenklageanwältin Angehörige der Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU vertreten hatte, war 2018 die erste Adressatin der „NSU 2.0“-Drohschreiben gewesen. Bei den Ermittlungen zu diesen Todesdrohungen, die auch gegen Angehörige der Anwältin ausgesprochen wurden, wurde die Existenz einer Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten in einem Frankfurter Polizeirevier aufgedeckt. Im Vorfeld der Drohbriefe waren auch die privaten und öffentlich nicht zugänglichen Daten mehrerer Empfänger von einem Polizeirechner abgerufen worden. „Die anständige Mehrheit muss jetzt handeln“
Als mutmaßlicher Verfasser war im Mai ein Mann festgenommen worden. Ob er Mithelfer innerhalb der Polizei hatte oder sich „nur“ erfolgreich bei telefonischen Anfragen als Polizist ausgeben konnte, ist noch nicht geklärt. Auch die Daten der Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und der Kabarettistin Idil Baydar waren vor NSU-2.0.-Drohschreiben von Polizeirechnern in Wiesbaden abgerufen worden. „Das Ansehen der Polizei hat so viel Schaden genommen, dass ich glaube, dass jeder einzelne Beamte mehr denn je gefordert ist, rassistische Tendenzen innerhalb der Polizei zu melden“, sagte Başay-Yıldız über notwendige Zivilcourage innerhalb der Polizei. „Die anständige Mehrheit muss jetzt handeln.“ Preis soll besonderen Einsatz für friedliches Zusammenleben würdigen
Başay-Yıldız fordert schon seit langem eine genaue Aufklärung. „Wir dürfen uns nicht auf Politiker verlassen, wie man in Hessen und auch auf Bundesebene sieht“, sagte sie. „Insofern ist jeder einzelne Polizist in diesem Land gefordert, couragiert zu handeln. Es muss überhaupt auch mehr Dialog zwischen dem Bürger und der Polizei geben.“
Mit dem Ludwig-Beck-Preis ehrt die Stadt Wiesbaden Menschen, Institutionen oder Vereinigungen aus aller Welt, die sich mit besonderer Zivilcourage für das Allgemeinwohl, das friedliche Zusammenleben der Menschen, die soziale Gerechtigkeit und die Grundprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaates eingesetzt haben.