von Ali Özkök
Achim Daschkeit ist im Umweltbundesamt insbesondere für Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zuständig. Im Gespräch mit TRT Deutsch erläutert er, warum die jüngsten Hochwasserkatastrophen einen Zusammenhang mit dem Klimawandel erkennen lassen. Zudem erklärt er, dass Maßnahmen wie einer zeitweiligen Wasserrationierung für bestimmte Nutzungen in Zeiten der Dürre zwar vorgebeugt werden, diese aber nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden könnten.
Gleichzeitig warnt er jedoch vor Alarmismus, Katastrophenbeschwörungen und Schuldzuweisungen in der Klimadebatte. Diese stünden der gebotenen nüchternen Analyse und Lösungsfindung im Weg.
In den Hochwassergebieten von Rheinland-Pfalz und NRW werden die Aufräumungsarbeiten noch eine unbestimmte Zeit in Anspruch nehmen. Auch die genaue Höhe der Schäden steht noch nicht fest. Wie weit war das Hochwasser nach Ihrer Einschätzung die Folge von Klimaveränderungen und wie weit spielten frühere Fehleinschätzungen etwa im Bereich von Flussbegradigungen eine Rolle?
Die Ereignisse, die wir jetzt in Nordrhein-Westfalen oder auch in Rheinland-Pfalz gesehen haben, haben einen ziemlich klaren Bezug zur Klimaänderung. Weil wir sehen jetzt genau das, was uns die Klimaprojektionen und die Klimamodelle in den letzten Jahren und Jahrzehnten vorausgesagt haben: Extremereignisse. Das können Hochwassersituationen, das können Sturmfluten sein, das können Hitzewellen sein, wie wir sie 2018/2019 mit der Dürre erlebt haben.
Also wir sehen mehr und mehr Indizien: Der Klimawandel ist da. Wir leben mittendrin und wir sehen jetzt die Ereignisse, die projiziert worden sind. Das ist der eine Teil. Der andere Teil ist: Die Klimaänderungen treffen immer auf eine bestehende Landschaft, auf eine bestehende Gesellschaft. Und natürlich haben die Eingriffe des Menschen in die Natur, also auch in Flüsse, einen Anteil daran, wie sich Hochwassersituationen entwickeln und verschärfen können.
Die Begradigung von Flüssen, die Eingriffe in den Wasserhaushalt generell führen dazu, dass sich Abflussmengen, Hochwassersituation, Hochwasserspitzen verlagern und verändern. Das Wichtigste dabei ist: Wir haben insgesamt nicht nur im Ahrtal, sondern auch an anderen Stellen den Flüssen den Raum genommen, den sie ja eigentlich brauchen. Und wenn sie diesen Raum nicht haben, dann kanalisiert sich das Wasser insbesondere in engen Tälern und führt dann zu Unglücken und Katastrophen, wie wir sie jetzt in den vergangenen Wochen gesehen haben und deren Aufräumarbeiten wir noch in den nächsten Wochen und Monaten und vielleicht auch noch nach Jahren mitverfolgen müssen.
Gegenden wie das Ahrtal waren schon in der Vergangenheit häufig von Überflutungen betroffen. Es ist kaum damit zu rechnen, dass diese künftig ausbleiben werden. Was müsste getan werden und wie hoch wären die Kosten, um die Folgen künftiger Extremwetterlagen im Rahmen zu halten?
Das sind ganz verschiedene Fragen und zu einigen Teilfragen gibt's Antworten, zu anderen gibt es noch keine. Ich nehme mal den ersten Teil. Was könnte getan werden? Wir hatten eben schon angesprochen: Ein ganz wichtiges Element ist, Flüssen genügend Raum zu geben, damit sich das Wasser gleichmäßig über die Landschaft verteilt und eben nicht kanalisiert wird und zu starken Hochwassern führt. Das ist eine Aufgabe, die ist nicht neu. Die Anforderungen kennen wir lange. Das wird in manchen Teilen Deutschlands umgesetzt. In manchen Teilen noch nicht, es ist aber ein ganz wesentliches Element. Ein zweiter Teil ist: Wir müssen davon ausgehen, dass sie in Zukunft wieder auftreten oder sogar noch häufiger auftreten. Dann müssen wir uns auch fragen: Können wir tatsächlich auf lange Frist in genau diesen Gegenden, in genau diesen Regionen weiterhin genauso siedeln wie jetzt? Das betrifft Wohnungen, Häuser, Gewerbegebiete, Infrastrukturen usw.
Oder müssen wir irgendwann zu dem Schluss kommen und sagen: Wir müssen es uns wirklich ganz genau überdenken, ob wir lieber hier oder lieber einen Kilometer weiter siedeln in Gebieten, die nicht so risikoreich sind.
Sie waren im Jahr 2008 einer der Autoren der deutschen Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Wie sieht Ihre Bilanz aus heutiger Sicht aus? Wurden die damaligen Vorgaben im Wesentlichen umgesetzt oder gibt es noch Bereiche, wo nachgebessert oder anders akzentuiert werden sollte?
Viele der Maßnahmen dieser Strategie der Bundesregierung, die seit 2008 angestoßen oder umgesetzt worden sind, waren richtig und wichtig. Viele gehören in den Bereich der sogenannten weichen Maßnahmen – Aufbau von Wissen, Vertiefung von Wissen, Informationen an verschiedene gesellschaftliche Gruppen, auch Informationen an die Bevölkerung, Zusammenarbeit mit Bund und Ländern und Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden und ähnliches mehr. All das war auch sehr notwendig.
Mittlerweile sind wir aber in einer Situation, wo diese weichen Maßnahmen nicht mehr ausreichend sind. Das heißt, wir erleben gerade jetzt, 2018/2019 mit der Dürre, jetzt mit dem Hochwasserereignissen den Übergang von diesen weichen zu den „harten Maßnahmen“. Und das ist genau, was das Umweltbundesamt auch fordert: Wir brauchen ein eigenes Klimaanpassungsgesetz auf Bundesebene. Wir brauchen eine Gemeinschaftsaufgabe für Klimavorsorge. Und wir brauchen eine intensivere Diskussion von Versicherungsleistungen, also auch ein weiteres ökonomisches Instrument.
Bereits damals war im Zusammenhang mit konkreten Klimafolgen für Deutschland die Rede von Problemen wie Wasserknappheit in einigen Regionen zeichnen sich in diesem Bereich Lösungsansätze ab oder müssen Stadtbewohner bald mit Wasserrationierungen rechnen?
Wir hoffen nicht, dass wir mit Wasserrationierungen rechnen müssen. Allerdings kann es sein, dass solche Rationierungen zeitlich beschränkt und regional sehr beschränkt unausweichlich werden. Wir haben das gesehen 2018/2019 in der Dürresituation, dass wir schon kurz davor waren. Wir sehen es aus anderen Staaten, wo wir klimatische Bedingungen haben, wie sie bei uns Mitte und Ende des Jahrhunderts auftreten werden. Und das heißt, wir müssen rechtzeitig die Wasserversorgung so organisieren, dass eben solche Rationierungen nicht auftreten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch wir mit solchen Rationierungen einmal konfrontiert sein werden.
Die öffentliche Debatte um Umweltschutz und Klimawandel ist seit Jahren gekennzeichnet durch permanenten Alarmismus, Moralisierung und offenbar in dieser Form nicht haltbare Darstellungen wie jene, dass Deutschland oder die älteren Generationen nie etwas zur Bewältigung von Herausforderungen beigetragen hätten. Schadet dieses permanente Beschwören von Katastrophen dem Anliegen mehr, als es nützt?
Die Darstellung des Klimawandels als Katastrophe und diese Katastrophenkommunikation der Alarmisten ist auch aus unserer Sicht, aus Sicht des Umweltbundesamtes, keine gute Strategie, um angemessen und sachlich und nüchtern über Klimarisiken zu informieren. Wir versuchen das zu vermeiden, wo wir können, weil wir genau sehen: Mit Katastrophen erzielt man kurzfristig einen Effekt, aber wenn man denn zum zweiten und fünften und zehnten Mal das Wort Katastrophe in den Mund nimmt, dann stumpft es ab und viele Menschen hören dann einfach gar nicht mehr hin. Ich verstehe das sehr gut. Deswegen versuchen wir, solche Vokabeln wie Katastrophe, Klimakatastrophe und ähnliches zu vermeiden.
Das Zweite ist die Folge daraus: Solch ein Alarmismus, wenn er denn stattfindet, trägt nicht dazu bei, dass Klimaschutz oder Klimaanpassung in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Ich möchte hier gar nicht auf das Verhältnis der Emissionen Deutschlands und Europas im Verhältnis zu Indien und China eingehen. Da muss man weit in die Vergangenheit zurückgehen, um das richtig zu gewichten.
Wir sagen an solchen Stellen immer ganz entgegen einer Katastrophenrhetorik: Klimaschutz und Klimaanpassung sind zwei Seiten einer Medaille. Wir alle müssen Klimaschutz machen, global. Und wir alle müssen jeder für sich und auch von der politischen Seite her Anpassung an den Klimawandel betreiben, weil es eben einen Klimawandel gibt, den wir gar nicht mehr aufhalten können. Auch hier plädieren wir für eine ganz nüchterne Betrachtung, ganz nüchterne Risikobeschreibung, um gegenseitige Schuldzuweisungen zu vermeiden.
Vielen Dank für das Gespräch!