von Florian Godovits Er ist für seine eigenständigen Meinungen sowohl als Mediziner als auch als Nationalratsabgeordneter in Österreich bekannt: Dr. Marcus Franz leitete von 2009 bis 2014 die Interne Abteilung des renommierten Wiener Hartmannspitals und war dort gleichzeitig auch Ärztlicher Direktor. Danach zog es ihn in die Politik, wo er zunächst für das „Team Stronach“ des Austro-Milliardärs Frank Stronach tätig war. Dann war er kurz für die ÖVP im österreichischen Parlament – und anschließend von 2016 bis Ende 2017 ohne Klubzugehörigkeit.
Herr Doktor Franz, Ihr Urteil über die bisherigen Maßnahmen der österreichischen Regierung fällt nicht besonders positiv aus. Wie sehen Sie das Ganze aus verfassungsrechtlicher Sicht?
Also ohne juristischer Spezialist zu sein: Nach meinem Wissen über das Verfassungsrecht glaube ich, dass die Maßnahmen überschießend sind. Denn alle diese Maßnahmen, die im Sinne von Epidemieschutz und Seuchenschutz zur Schutzpflicht des Gesetzgebers gehören, die müssen immer verhältnismäßig sein.
Und wir haben ja keine Situation, wie wir es etwa bei einem Ebola-Ausbruch hätten oder bei einer Pest oder bei einer Pocken-Epidemie, also dass wirklich große Menschenmassen schwer gefährdet oder am Leben bedroht sind. Sondern wir haben hier eine Pandemie, die speziell die Risikogruppen hochgradig gefährdet. Und das sind längst nicht alle in der Bevölkerung, Gott sei Dank.
Und wir wissen auch, dass die Infektion in vielen Fällen völlig symptomlos verläuft, also gar keine Erkrankung hervorruft. Anders gesagt: Sie wird nur bei einem Teil der Bevölkerung, die infiziert wird, überhaupt symptomatisch – und nur bei einem zum Glück vergleichsweise sehr kleinen Anteil wird sie im Verlauf schwer beziehungsweise lebensgefährlich: Circa 0,8 Prozent der Infizierten benötigen eine Intensivbehandlung (das sagen die Zahlen des sehr genauen deutschen Intensivregisters).
Das heißt also, dass die Maßnahmen aus meiner Sicht unverhältnismäßig sind, und – das nehme ich an – das wird dann auch der Verfassungsgerichtshof so sehen. Ich glaube, dass das in einigen Monaten als nicht verfassungskonform beurteilt wird, weil die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist.
Haben Sie sich auch mit den Kollateralschäden durch die Lockdowns beschäftigt, wie etwa durch Depressionen und durch das Verschieben von Operationen etc.?
Wir wissen, dass die Anzahl von Krebserkrankungen aufgrund reduzierter Vorsorgeuntersuchungen hinaufgehen wird in den nächsten ein, zwei Jahren. Das wissen wir aus Studien. Andere Länder haben sich das schon sehr genau angesehen, England zum Beispiel. Und in den USA gibt es sehr gute Berechnungen dazu, dass hier die Situation der Diabetiker zum Beispiel verschlechtert wurde, weil diese weniger Kontrollen hatten.
Die Situation kranker Menschen wird durch Lockdowns verschlechtert. Speziell am Anfang der Pandemie hat man vor routinemäßigen Arztbesuchen gewarnt und empfohlen, die Leute lieber zu Hause zu lassen beziehungsweise den chronisch Kranken empfohlen, zu Hause zu bleiben.
Also speziell bei den chronisch Kranken und hier wiederum gerade bei der Risikogruppe, bei den Übergewichtigen, bei den Diabetikern, wurde hier langfristig möglicherweise durch die Lockdowns mehr Schaden angerichtet, als sie überhaupt akut genützt haben.
Zum Teil wurden auch die Ambulanzen reduziert oder sogar geschlossen. Also speziell bei den chronisch Kranken und hier wiederum gerade bei der Risikogruppe, bei den Übergewichtigen, bei den Diabetikern, wurde hier langfristig möglicherweise durch die Lockdowns mehr Schaden angerichtet, als sie überhaupt akut genützt haben.
Dazu gibt es auch Studien von ganz hochrangigen Leuten aus Stanford und aus Harvard mit validen Daten, die man nicht wegwischen kann und wo man sich sehr genau überlegen muss, ist ein Lockdown überhaupt von Nutzen. Es ist immer so, dass ich das gesamtheitlich betrachten muss, auch als Arzt: Ist ein Lockdown volkswirtschaftlich und folglich gesundheitlich überhaupt von Nutzen, wenn ich gewisse Einrichtungen sperre und gewisse Menschengruppen einfach ausschließe vom sozialen Leben und auch teilweise von der Gesundheitsversorgung?
Sie haben es angesprochen: Es gibt einige hochrangige Professoren, die gar kein Gehör mehr finden, zumindest nicht in der europäischen Politik. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Das ist eine sehr gute Frage. Es gibt natürlich sehr viele Theorien dazu, warum Leute wie Professor John Ioannidis aus Stanford oder Professor Martin Kulldorff aus Harvard – also warum deren Publikationen kaum in den Medien zirkulieren und kaum wiedergegeben werden. Und das, obwohl sie seit Jahrzehnten anerkannte Epidemiologen und Spezialisten für genau solche Fragen sind, die aber jetzt nicht in das offizielle Mainstream-Narrativ hineinpassen.
Man hat diese Kritiker einfach an die Seite gedrängt und man hat sich politisch nur jener Experten bemächtigt, die so reden, wie es gerade in die Politik passt.
Man hat diese Kritiker einfach an die Seite gedrängt und man hat sich politisch nur jener Experten bemächtigt, die so reden, wie es gerade in die Politik passt.
Die Politik hat sich über die Medizin gesetzt, und die Politik entscheidet jetzt, was medizinisch richtig ist, und Experten, die nicht so reden, wie es die Politik gerade haben will, werden zum Verstummen gebracht. Indem man einfach ihre Meldungen, ihre Studien, ihre Datenanalysen nicht in die großen Medien bringt.
In den USA gibt es auch noch Jay Bhattacharya.
Er hat auch hier seine Anhänger. In den USA und in England gibt es sehr hochrangige Publizisten. Man muss sagen, dass gerade in den angloamerikanischen Ländern die Debattenkultur wesentlich besser ist. Bei uns wird sehr oft leider Gottes auf der Ebene des Ressentiments und der Ebene der Ideologie und des Glaubens abgehandelt, als sich mit den Daten auseinanderzusetzen. Ich kann nicht a priori einfach Wissenschaft für nicht gültig erklären, weil sie nicht ins politische Konzept hineinpasst.
Das ist eines der Grundprobleme, die uns in Österreich gerade beschäftigen und die dann genau zu solchen Maßnahmen führen, die möglicherweise viel schädlicher sind als andere Maßnahmen, die wir vorher besprochen haben.
Bei uns wird sehr oft leider Gottes auf der Ebene des Ressentiments und der Ebene der Ideologie und des Glaubens abgehandelt, als sich mit den Daten auseinanderzusetzen. Ich kann nicht a priori einfach Wissenschaft für nicht gültig erklären, weil sie nicht ins politische Konzept hineinpasst.
Gibt es etwas, das sich aus Ihrer Sicht schon in der Vorbeugung gegen Covid bewährt hätte?
Die Vorbeugung ist ein totales Stiefkind in der in der gesamten Thematik. Wir wissen zum Beispiel, dass bestimmte Gurgellösungen, die Viren-abtötend wirken, einen vorbeugenden Effekt haben können. Da hat die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene im Vorjahr ein sehr gutes, komprimiertes Blatt herausgegeben, das durch Studien gesichert ist: dass Gurgeln mit bestimmten Substanzen, die viruzid, also virus-tötend, wirken, nützt.
Da gibt es verschiedene gute Lösungen, die man in jeder Apotheke kaufen kann. Ohne hier Werbung machen zu wollen für eines davon. Man muss einfach nachfragen, wenn man diese Gurgellösungen verwendet und es reicht mitunter schon, Salzwasser zu gurgeln, um lokal eine verminderte Viruslast zu erreichen. Dann gibt es den Nasenspray mit einer speziellen Substanz namens „Carragelose“. Wenn man den verwendet, kann man in der Anfangsphase Covid verhindern.
Das ist bis jetzt untergegangen, dass es diese vorbeugenden Maßnahmen gibt. Aber dazu gibt es Wissenschaft, dazu gibt es Daten, und diese Anwendungen sind harmlos und so gut wie nebenwirkungsfrei. Sie werden aber nicht allgemein empfohlen. Wie uns ja überhaupt in der gesamten Strategie die vorbeugenden Maßnahmen eigentlich gar nie mitgeteilt wurden.
Wie lange, denken Sie, wird dieser Lockdown anhalten?
Das ist schwer zu sagen. Die viralen respiratorischen Erkrankungen, die über die Atemwege übertragen werden, unterliegen einer gewissen Saisonalität. Es verläuft immer in Kurven und in Wellen. Das heißt, wir werden möglicherweise noch eine Welle erleben und noch eine Welle.
Die Politisierung dieses Virus ist, glaube ich, das Grundproblem überhaupt. Ich glaube überhaupt, dass die Politisierung des Virus ein größeres Problem darstellt als die Pandemie selber. Sarkastisch formuliert könnte man sagen: Die komplette Politisierung der Pandemie hemmt deren Heilung.
Und irgendwann einmal wird sich das Virus sozusagen in die Reihe der Erkältungskrankheiten einreihen, wie es der Professor Drosten schon vor einem Jahr gesagt hat. Diese Äußerung von ihm ist komischerweise nie wirklich zur Kenntnis genommen worden, obwohl er das damals schon vorausgesagt hat. Man muss ihm ja zugutehalten, er ist ein Virologe, der sich speziell mit Coronaviren wirklich auskennt.
Aber er ist halt als Medienstar gehandhabt worden und hat sehr oft Dinge gesagt, die auch politisch akzeptiert worden sind, weil sie in die politische Grundkonzeption hineingepasst haben. Für die Politik bietet sich hier unglaublich viel Potenzial, Dinge zu tun: Als Retter des Volkes aufzutreten oder eben dagegen aufzutreten, politische Debatten auszufechten, Maßnahmen zu setzen, Macht zu akquirieren, neue Gesetze durchzubringen und und und.
Die Politisierung dieses Virus ist, glaube ich, das Grundproblem überhaupt. Ich glaube überhaupt, dass die Politisierung des Virus ein größeres Problem darstellt als die Pandemie selber. Sarkastisch formuliert könnte man sagen: Die komplette Politisierung der Pandemie hemmt deren Heilung.
Als Abschlussfrage: Wie sehen Sie denn die Lage in Deutschland im Vergleich zu Österreich?
Ich glaube, die Deutschen wollen sich jetzt Österreich annähern. Warum, sei dahingestellt. Man hält, habe ich von deutschen Kollegen gehört, die österreichische Lösung für gut. Es hat ja auch ein deutscher Ethiker schon gesagt, dass man eigentlich das Recht hat, die Ungeimpften vom gesellschaftlichen Leben solange auszuschließen, bis sie sich endlich impfen lassen. Das sind problematische Äußerungen, die einen Rattenschwanz an Reaktionen nach sich ziehen. Wenn ich von hoher politischer Seite oder von namhaften Professoren höre, dass es legitim ist, die Gesellschaft zu spalten und aufzudröseln in Ungeimpfte und Geimpfte, dann ist das grundsätzlich ein wirklich schweres gesellschaftliches Gesamtproblem. Und ich fürchte, dass Deutschland da Österreich nachfolgen wird, weil man ja eben in großen Teilen der deutschen Politik die österreichische Lösung für gut hält.
Danke für das Gespräch.