Industrielles Technologiekonzept. Fabrikautomation. Intelligente Fabrik. INDUSTRIE 4.0 (Getty Images)
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Gastbeitrag von Julia Düer

Viele Revolutionen in der Geschichte vollzogen sich aufgrund wichtiger Entwicklungen, die diese auslösten. So gesehen war eine der wichtigsten Ursachen für den Start von Industrie 4.0 die Wirtschaftskrise in den 2000er Jahren. In dieser Zeit platzten Spekulationsblasen, und Systeme, die darauf basierten, Geld ausschließlich mit Geld zu machen, wurden in Frage gestellt, was die Bedeutung der Realwirtschaft erneut in den Vordergrund rückte. Der Oberbegriff Industrie 4.0, der diesem neuen Fokus einen Namen gab, wurde erstmals 2011 auf der Industriemesse in Hannover verwendet.

Industrie 4.0: Positive und negative Aspekte

Industrie 4.0 ist ein System, das entstanden ist, um die Kommunikation und Effizienz von Produktionsnetzwerken zu steigern, indem autonome Systeme in der Fertigung mittels Analyse von „Big Data“ integriert werden.

Einer der größten Pluspunkte von Industrie 4.0 dürfte zweifellos die Senkung der Produktionskosten sein. Denn die Tatsache, dass sich Austausch und Kommunikation automatisiert und nahezu perfekt vollziehen, führt zu Zeitersparnis und ist damit einer der wichtigsten Faktoren bei der Reduzierung der Fertigungskosten. Es wird erwartet, dass die durch die Senkung dieser Kosten erzielten Einsparungen zukünftige Investitionen in die weitere Digitalisierung beschleunigen und den Ausbau neuer Geschäftsfelder vorantreiben werden. Zudem gewährleistet die akkurate ständige Prüfung der gesammelten Daten die sofortige Bearbeitung auftretender Probleme und sichert damit Produktionsgeschwindigkeit und -effizienz.

Die Tatsache, dass das gesamte Kommunikationsnetzwerk dieses auch als „Internet der Dinge“ genannten Systems auf dem derzeitigen Internet beruht, birgt auch die Gefahr vermehrter Sicherheitslücken, die bereits heute die Produktionssicherheit gefährden. Dabei macht der Umstand, dass es immer eine Schwachstelle geben wird, die Systeme anfällig für Cyberangriffe. Mit dem Einsatz dieser neuen Systeme in für die Gesellschaft kritischen Bereichen wie beispielsweise Kraftwerken oder Wasserwerken verändert sich die Dimension des Risikos. Darüber hinaus wird der intensive Einsatz von Maschinen und Technologie dazu führen, dass ein Großteil der jetzigen Arbeiterklasse mit den klassischen Blaumännern ihre Arbeitsplätze verlieren wird und ganze Berufszweige gar vollends verschwinden werden. Betrachtet man diese Entwicklungen aus der Perspektive unterentwickelter Staaten, wird das Problem sogar noch größer. Denn Länder, die mit dieser Revolution nicht mithalten können, verlieren ihren Kostenvorteil im Wettbewerb um Fertigungsstandorte. Staaten wie China und Indien, die in der Vergangenheit durch ihren Kostenvorteil bei arbeitsintensiver Fertigung zu Giganten aufstiegen, drohen diesen Vorteil aufgrund des neuen Systems Industrie 4.0, das Unternehmen weltweit zur Kostensenkung implementieren, zu verlieren. Man geht davon aus, dass sich die Probleme für diejenigen Länder verschärfen werden, denen es nicht gelingt, diese Systeme einzuführen, was dann aber den Weg für eine Art Monopol von Unternehmen und Staaten ebnen wird, die mit ihren Investitionen technologisch immer weiter vorangehen.

Deutschlands Fortschritte

Mit dem Leitbegriff Industrie 4.0, der erstmals 2011 bei der Hannover Messe aufkam und dann in der ganzen Welt Verwendung fand, will Deutschland als führende Industrienation mit den Investitionen seine Position im Wettbewerb mit Fertigungsgiganten wie China und Indien festigen und schreitet entsprechend schnell voran. So beschleunigt beispielsweise BMW, einer der führenden deutschen Hersteller in der Automobilbranche, den Übergang zu Industrie 4.0 mit den eingeleiteten Schritten zur Digitalisierung in der Fertigung. Durch den Einsatz autonomer Systeme in allen Phasen, einschließlich der Montage von Fahrzeugteilen und der Lackierung, steigert BMW in einigen seiner Werke, auch durch die Verwendung künstlicher Intelligenz, die Effizienz, auch in den Bereichen Sicherheit und Logistik. SIEMENS erreicht in seiner Fabrik für Speicher programmierbarer Steuerungen in Amberg inzwischen eine Perfektionsrate von 99,99885 %, indem es mit einer Rate von 11 Fehlern pro Million produziert, obwohl erst zu 75 Prozent autonome Systeme in der SPS-Fertigung im Einsatz sind. Bosch, einer der Pioniere von Industrie 4.0, übernahm den Vorsitz des 2012 gegründeten Arbeitskreises Industrie 4.0 und investiert weiter in die Weiterentwicklung dieser Strategie. Kurz gesagt steigern in Deutschland ansässige Unternehmen ihre Bemühungen und gehen auf diese Weise voran, um bei der sich anbahnenden Revolution einen Schritt voraus zu sein.

Fortschritte der Türkei

Zunächst einmal ist die Türkei ein Land mit vergleichsweise niedrigen Produktionskosten im direkten Vergleich mit Europa oder den USA. Dabei bietet Industrie 4.0 der ohnehin im Vorteil befindlichen Türkei die Chance, ihre starke Position in der Fertigung und dem Export auszubauen. Darüber hinaus wird die Türkei mit diesen Systemen Produkte mit hoher Wertschöpfung herstellen und auf ihrem Weg zu den selbstgesetzten ambitionierten Zielen schneller und effizienter produzieren.

Mustafa Varank, Minister für Industrie und Technologie der Republik Türkei, sagte auf dem vom World Economic Forum organisierten Treffen für die Entwicklung Nationaler Strategien für Künstliche Intelligenz, man betrachte Industrie 4.0 als Sprungbrett. Darüber hinaus erklärte Varank, die Türkei erwarte mit der eigenen Nationalen Strategie für künstliche Intelligenz, dass der Anteil des Sektors der künstlichen Intelligenz am Bruttoinlandsprodukt (BIP) mindestens 5 Prozent betragen wird und die Beschäftigung in diesem Sektor 50.000 erreicht. Die zu diesem Zweck ausgearbeitete Roadmap „Digitale Türkei“ umfasst sechs Komponenten – von der Entwicklung der Bildungsinfrastruktur bis hin zur Ausbildung qualifizierter Fachkräfte, von der Stärkung der Technologie- und Innovationsfähigkeit und Datenkommunikationsinfrastruktur bis hin zur institutionellen Förderung nationaler Technologieunternehmen und der Unterstützung der Nutzer bei der digitalen Transformation des Landes.

Die Türkei stellt bei ihren ehrgeizigen Entwicklungsplänen Bereiche wie Informationstechnologien, autonome Systeme, Bio- und Nanotechnologien in den Vordergrund und plant die entsprechenden Investitionen zu erhöhen und die eigene Produktivität zu maximieren.