Die Industriestaaten-Organisation OECD sieht die Weltwirtschaft auf einem langsamen Erholungskurs. Die Talsohle scheine durchschritten, denn Energiepreise und Gesamtinflation sänken, Lieferengpässe ließen nach, und die Finanzlage privater Haushalte sei relativ solide, teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch in Paris mit.
Für 2023 rechnet die OECD in ihrem neuen Konjunkturausblick mit einem globalen Wachstum von 2,7 Prozent, das sich 2024 leicht auf 2,9 Prozent beschleunigen dürfte. Damit werde es immer noch deutlich unter dem Durchschnitt der zehn Jahre vor der Coronapandemie liegen. Der Weg hin zu einem kräftigen und nachhaltigen Wachstum sei noch lang.
Die politisch Verantwortlichen müssten entschlossen handeln, um durch wirtschafts- und strukturpolitische Maßnahmen ein kräftigeres und nachhaltigeres Wachstum herbeizuführen, mahnte die OECD. Das werde allerdings schwierig werden, denn die Inflation sei weiterhin zu fest verankert, die Verschuldung zu hoch und das Produktionspotenzial zu niedrig. Investitionen in Bildung und Kompetenzen seien entscheidend, damit sich die Menschen in der Wirtschaft von morgen erfolgreich behaupten könnten und um Vorteile einer höheren Produktivität zu nutzen.
Trübe Aussichten für deutsche Wirtschaft
In Deutschland wird die Wirtschaft nach der OECD-Prognose in diesem Jahr voraussichtlich stagnieren und 2024 um 1,3 Prozent wachsen. Die hohe Inflation schmälere Einkommen und Ersparnisse, wodurch der private Konsum gedämpft werde. Entscheidende Impulse für die Konjunkturbelebung werde das Exportgeschäft liefern: Die Lieferketten entspannten sich, und der Auftragsbestand sei hoch.
Der private Konsum dürfte angesichts der höchsten Inflation seit Jahrzehnten zunächst ein Bremsfaktor bleiben. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hatte kürzlich gesagt, mindestens 30 Prozent der Kunden von Banken könnten ihre normale Ausgaben nicht mehr aus ihrem Einkommen bestreiten, sondern müssten an die Ersparnisse ran.
Der Internationale Währungsfonds hatte die Lage zuletzt ähnlich eingeschätzt. Laut IWF wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr in etwa stagnieren, von 2024 bis 2026 dann um jeweils ein bis zwei Prozent zulegen. Die Bundesregierung ist dagegen etwas optimistischer. Sie rechnet 2023 mit einem Wachstum von 0,4 Prozent, 2024 dann mit 1,6 Prozent.
Leichte Verbesserung der OECD-Prognosen für Europa und USA
Mit dem Abklingen des Energiepreisschocks vom Winter dürfte sich das Wachstum im Euroraum von 0,9 Prozent in diesem Jahr auf 1,5 Prozent im Jahr 2024 beschleunigen. Ein wichtiger Faktor ist dabei die sinkende Inflation, die die Einkommen weniger belastet. Die OECD prognostizierte im März ein Wachstum von 0,8 Prozent im Jahr 2023 und 1,4 Prozent im Jahr 2024.
Auch für das Vereinigte Königreich wurde ein Anstieg des Wachstums von 0,3 Prozent im Jahr 2023 auf 1 Prozent im Jahr 2024 prognostiziert, da sich das Wachstum der Realeinkommen verbessert. Der Ausblick für den europäischen Inselstaat wurde gegenüber der Prognose vom März von -0,2 Prozent im Jahr 2023 auf 0,9 Prozent im Jahr 2024 angehoben.
Für die USA prognostizieren die OECD-Experten ein Wachstum von 1,6 Prozent in diesem Jahr, das sich 2024 auf 1 Prozent abschwächt. Grund sei die verzögerte Wirkung der Zinserhöhungen, die die größte Volkswirtschaft der Welt besonders hart treffe. Zuvor hatte die OECD für die USA ein Wachstum von 1,5 Prozent in diesem Jahr und 0,9 Prozent im Jahr 2024 vorausgesagt.