Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad hat der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter davor gewarnt, härter gegen syrische Flüchtlinge in Deutschland vorzugehen. „Es ist vollkommen unklar, wie es jetzt in Syrien weitergeht“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben). „Überlegungen, nach dem Sturz von Assad unsere Migrationspolitik zu verändern und härter gegen syrische Geflüchtete vorzugehen, sind völlig fehl am Platz.“
Der demokratische Prozess müsse nun mit aller Kraft vorangebracht werden, fuhr Hofreiter fort. Zuallererst müssten dabei die Rechte von Minderheiten in Syrien sichergestellt sein.
Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) hatte in der „Rheinischen Post“ den Stopp der weiteren Aufnahme syrischer Flüchtlinge gefordert. „Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt“, sagte sie. Sollte es irgendwann zu einer Befriedung in Syrien kommen, entfalle für viele Syrer auch „die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland“.
Der Migrationsforscher Gerald Knaus sah nach dem Sturz von Assad derweil die Chance auf Entspannung in der Flüchtlingssituation. „Mittelfristig – sollte Stabilität hergestellt werden – könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein“, sagte er dem „stern“ laut Vorabmeldung vom Montag.
„Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern haben sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen“, fuhr er fort.
Seinen Angaben zufolge könnten sich die Entwicklungen in Syrien auch auf die Politik in Deutschland auswirken. „Wenn sich Syrien stabilisiert, könnte das auch unsere Politik dramatisch und positiv verändern“, sagte Knaus. „Sollte sich die Zahl syrischer Asylanträge 2025 schnell verringern, würde extrem gefährlichen Kräften das Wasser abgegraben – der AfD hierzulande, der FPÖ in Österreich.“ Daher müsse das Thema der Stabilisierung Syriens „absoluten Vorrang“ haben, auch was die außenpolitischen Anstrengungen angehe.
Die Rebellengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen hatten am Sonntag die syrische Hauptstadt Damaskus eingenommen und den seit Jahrzehnten herrschenden Machthaber Assad gestürzt. Assad floh nach Angaben staatlicher russischer Medien nach Moskau.
Seit 2011 herrscht in Syrien ein verheerender Bürgerkrieg, der das Land völlig gespalten hat. Das Assad-Regime kontrollierte bis zu seinem Sturz mit Hilfe seiner Verbündeten Russland und Iran etwa zwei Drittel des Landes.