Deutschland übernimmt die historische und moralische Verantwortung für die Kolonialverbrechen in Namibia. So wird der Völkermord an den Herero und Nama vor über 100 Jahren im damaligen Deutsch-Südwestafrika erstmals offiziell als solcher benannt, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag mitteilte. Zudem will Deutschland als „Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde“ in den kommenden 30 Jahren rund 1,1 Milliarden Euro in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Namibia investieren. Für die Einigung gab es Lob, aber auch Kritik.
Polenz: „Niemand hat Anspruch auf Versöhnung“
Vorausgegangen waren mehr als fünf Jahre dauernde Gespräche zwischen beiden Ländern. Deren Ergebnisse finden sich in einer noch nicht veröffentlichten „Gemeinsamen Erklärung“, die die Außenminister beider Länder demnächst unterzeichnen wollen. Auf deutscher Seite leitete der CDU-Politiker Ruprecht Polenz die Verhandlungen, für Namibia übernahm diese Aufgabe Zed Ngavirue. Im Mittelpunkt standen die Geschehnisse zwischen 1904 und 1908, als deutsche Truppen unter Lothar von Trotha (1848-1920) zehntausende Herero und Nama töteten. Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie.
„Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen“, erklärte Maas. „Niemand hat einen Anspruch auf Versöhnung“, twitterte Polenz. Aber es bestehe die Hoffnung, dass die „Gemeinsame Erklärung“ als Grundlage für gesellschaftliche Versöhnungsprozesse dienen werde.
Union und SPD bezeichneten die Einigung als wichtigen Schritt hin zu einer in die Zukunft gerichteten Partnerschaft beider Länder. Grüne und Linke bemängelten, dass an dem Dialog nicht alle relevanten Gruppen und Vertreter Namibias beteiligt gewesen seien. Aus der FDP hieß es, die Bundesrepublik dürfe sich mit der Einigung nicht freikaufen, sondern müsse noch viele weitere Schritte auf dem Weg zu einer endgültigen Aussöhnung gehen.
Kritik aus Namibia
In Namibia selbst übten mehrere Politiker teils scharfe Kritik und forderten, das Parlament solle die Einigung zurückweisen. Die Tageszeitung „The Namibian“ zitierte die Abgeordnete Inna Hengari von der größten Oppositionspartei des Landes, dem Popular Democratic Movement (PDM), mit den Worten, durch die Vereinbarung hätten die Nachfahren der Herero und Nama keinerlei Vorteile. Sie sprach von einer „Beleidigung“ Namibias.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker forderte, um die Verbrechen des deutschen Kaiserreiches aufzuarbeiten, müsse die Bundesregierung nun auch auf diejenigen Verbände der Herero und Nama zugehen, die sich von den Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland ausgeschlossen fühlten.
Der in Berlin lebende Herero-Aktivist Israel Kaunatjike warf Deutschland vor, keinen Dialog mit den „authentischen Vertretern der Herero und Nama“ gesucht zu haben. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland beklagte er zudem, dass in den Verhandlungen nicht über Reparationszahlungen, „sondern über Versöhnung und das Heilen von Wunden“ gesprochen worden sei. „Was nun beschlossen wurde, ist ein kleines Entwicklungshilfeprogramm, mit Reparationszahlungen hat das nichts zu tun.“