Der frühere israelische Verteidigungsminister Moshe Ya’alon hat der Armee seines Landes eine „ethnische Säuberung“ im Gazastreifen vorgeworfen. „Der Weg, auf den wir gedrängt werden, ist Eroberung, Annexion und ethnische Säuberung“, sagte Jaalon am Samstag in einem Interview mit dem privaten Sender DemocratTV.
Auf die Nachfrage der Journalistin, ob er glaube, dass Israel sich in Richtung „ethnische Säuberung“ bewege, sagte Ya’alon: „Was passiert dort? Es gibt kein Beit Lahia mehr, kein Beit Hanun, die Armee operiert in Dschabalija und in Wahrheit wird das Land von Arabern gesäubert.“
Der Norden des Gazastreifens, in dem die von Ya’alon genannten Gebiete liegen, sind seit dem 6. Oktober Ziel einer israelischen Kriegsoperation. Damit soll eine Neugruppierung der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas verhindert werden.
Der 74-jährige Ya’alon war von 2002 bis 2005 Armeechef, bevor Israel sich aus dem Gazastreifen zurückzog. Er war Verteidigungsminister und Vize-Ministerpräsident, bevor er 2016 wegen Meinungsverschiedenheiten mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zurücktrat. Während seiner Karriere in der konservativen Likud-Partei hatte er den Ruf eines Falken. 2019 verbündete er sich mit dem aktuellen Oppositionschef Jair Lapid, bis er sich 2021 aus der Politik zurückzog.
Seine jüngsten Äußerungen lösten in Israel umgehend Verärgerung aus. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir sagte, es sei eine „Schande“ für Israel, „so eine Person als Armeechef und Verteidigungsminister gehabt zu haben“.
Netanjahus Likud-Partei verurteilte Jaalons „unehrliche Bemerkungen“ und bezeichnete sie als „Geschenk für den IStGH und das Lager der Israel-Feinde“. Damit bezog sich die Partei auf den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), der am 21. November einen internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu und dessen ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen hatte.
Israelischer Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober 2023 einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bislang Zehntausende Zivilisten getötet.
Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Doch auch dort sind sie israelischen Angriffen ausgesetzt. Zudem herrscht eine akute Hungerkrise, die Hungertote fordert.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 43.800 Menschen getötet und mehr als 103.600 verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder.