Der frühere US-Polizist Derek Chauvin ist wegen der Tötung des Afroamerikaners George Floyd zu 22 Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Richter Peter Cahill verhängte am Freitag in Minneapolis ein Strafmaß von 270 Monaten Haft gegen den 45-Jährigen wegen Mordes zweiten Grades. US-Präsident Joe Biden sprach von einem „angemessenen“ Strafmaß, der Anwalt der Familie Floyd von einem „historischen Urteil“. Mit dem Strafmaß blieb Richter Cahill deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von 30 Jahren. Es lag aber auch weit über dem Antrag der Verteidigung einer Haftentlassung auf Bewährung. Theoretisch hätten Chauvin bis zu 40 Jahre Haft gedroht. Der Richter betonte, das Strafmaß fuße nicht auf „Emotionen“, „Empathie“ oder dem Druck der „öffentlichen Meinung“, sondern auf einer „rechtlichen Analyse“ der Tat. Er wolle auch keine „Botschaften“ aussenden, sagte Cahill mit Blick auf das politisch aufgeladene Verfahren.
Biden hält Strafe für angemessen
„22,5 Jahre!“, schrieb der Anwalt der Familie Floyd, Ben Crump, im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Dieses historische Urteil bringt die Familie Floyd und unsere Nation der Heilung einen Schritt näher.“ Präsident Biden betonte, er kenne „nicht alle Umstände“, die bei dem Strafmaß berücksichtigt worden seien. Die Strafe erscheine ihm aber „angemessen“.
Floyds Tod am 25. Mai 2020 hatte international für Empörung gesorgt und in den USA landesweite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze ausgelöst. Chauvin hatte dem wegen Falschgeldvorwürfen festgenommenen 46-Jährigen in Minneapolis rund neuneinhalb Minuten lang das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl der Schwarze wiederholt klagte, er bekomme keine Luft mehr.
Ein Handyvideo von Floyds Tod ging um die Welt. Seine Klage „I can't breathe“ - „Ich kann nicht atmen“ oder „Ich bekomme keine Luft“ - ging um die Welt und wurde zu einem Motto der Anti-Rassismus-Bewegung Black Lives Matter (Das Leben von Schwarzen zählt).
Chauvin hofft, die Familie findet Frieden
In einem aufsehenerregenden Prozess sprach ein Geschworenengericht Chauvin am 20. April in allen Anklagepunkten schuldig: Mord zweiten Grades, was in Deutschland in etwa einem Totschlag in einem schweren Fall entspricht, Mord dritten Grades - eine andere Form des Totschlags - und Totschlag zweiten Grades, in Deutschland etwa fahrlässige Tötung. Auf Mord zweiten Grades steht in Minnesota eine Höchststrafe von 40 Jahren.
Unmittelbar vor Verkündung des Strafmaßes ergriff Chauvin kurz das Wort. „Ich will der Familie Floyd mein Beileid aussprechen.“ Er hoffe, die Familie werde „Frieden“ finden, sagte der Verurteilte. Mehr könne er wegen „zusätzlicher rechtlicher Angelegenheiten“ nicht sagen.
Auch Floyds Angehörige wandten sich an das Gericht, darunter seine kleine Tochter Gianna per Video. „Ich vermisse dich, und ich liebe dich“, sagte sie auf die Frage, was sie ihrem Vater sagen würde. Floyds Bruder Terrence forderte im Gerichtssaal die Höchststrafe für Chauvin - und wandte sich an den Ex-Polizisten: „Warum? Was haben Sie sich gedacht? Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie Ihr Knie auf dem Nacken meines Bruders hatten?“
Chauvins Mutter beteuerte dagegen vor Gericht, ihr Sohn sei unschuldig. „Mein Sohn ist ein guter Mann“, sagte Carolyn Pawlenty mit bebender Stimme. „Ich habe immer an deine Unschuld geglaubt und werde dabei nie ins Wanken geraten.“
Die Verkündung des Strafmaßes gegen Chauvin bedeutet kein Ende der juristischen Aufarbeitung von Floyds Tod. Chauvins Anwalt will den Schuldspruch vom April annullieren lassen. Außerdem wurden neben Chauvin auch die drei anderen an Floyds Festnahme beteiligten Polizisten angeklagt, ihr Prozess ist für März geplant. Zu guter Letzt laufen Ermittlungen auf Bundesebene gegen die vier Ex-Polizisten wegen Verletzung von Floyds Bürgerrechten.