Die palästinensische Widerstandsorganisation Hamas schlägt eine Waffenruhe von 135 Tagen im Gazastreifen vor und reagiert damit auf einen Plan der Vermittler aus Katar und Ägypten. Nach den Vorstellungen der Hamas sollen alle festgehaltenen Israelis in drei Phasen von jeweils 45 Tagen im Gegenzug für die Freilassung palästinensischer Gefangener übergeben werden. Zudem soll die israelische Armee abziehen und eine Vereinbarung zur Beendigung des seit Anfang Oktober andauernden israelischen Vernichtungskrieges erzielt werden. So heißt es in dem Entwurf, der Reuters vorliegt. Die israelische Regierung hat zunächst nicht öffentlich auf den Gegenvorschlag reagiert. Sie hatte allerdings mehrfach erklärt, dass sie ihre Soldaten aus der palästinensischen Enklave nicht abziehen werde, solange die Hamas nicht „ausgelöscht“ sei.
Die Hamas hat ihre Vorschläge inmitten diplomatischer Bemühungen um eine anhaltende Waffenruhe und Hilfe für die notleidenden Menschen im Gazastreifen vorgelegt. Die Palästinenser in der abgeriegelten Enklave wurden von Israel in den Süden vertrieben, wo sie ebenfalls massiven Angriffen ausgesetzt sind.
US-Außenminister Antony Blinken kam in der Nacht zu Mittwoch in Israel an, wo er mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beraten wollte. Zuvor hatte er Vermittler aus Katar und Ägypten zu Gesprächen getroffen. Die diplomatischen Bemühungen und ein vergangene Woche unterbreiterer Plan zielen im Kern auf eine längere Waffenruhe im Gazastreifen sowie die Freilassung von festgehaltenen Israelis ab. Seit Beginn der massiven Angriffe Israels am 7. Oktober gab es nur eine kurze Waffenruhe. Sie dauerte eine Woche.
Hamas schlägt dreistufigen Plan für Waffenruhe vor
Die Einzelheiten des Gegenvorschlags der Hamas wurden bislang nicht bekanntgegeben. Nach dem Reuters vorliegenden Entwurf für den dreistufigen Plan der Hamas soll es in einer ersten Phase indirekte Gespräche zwischen ihr und Israel geben. Deren Ziel sei das Ende der israelischen Angriffe und die Wiederherstellung der Ruhe. Zudem sollen die von Israel zerstörten Krankenhäuser und Flüchtlingslager im Gazastreifen wiederaufgebaut werden. Die israelischen Truppen sollen aus dem palästinensischen Gebiet abgezogen werden, heißt es in dem Papier. Alle festgehaltenen Israelis unter 19 Jahren, sowie kranke und ältere Menschen sollen ausgehändigt werden. Im Gegenzug sollen palästinensische Frauen und Kinder aus israelischen Haftanstalten freigelassen werden.
Mit der Umsetzung der zweiten Phase soll erst begonnen werden, wenn beide Seiten „indirekte Gespräche über die Voraussetzungen abgeschlossen hätten“, die erforderlich sind, um den Krieg zu beenden „und zur völligen Ruhe zurückzukehren“. Dann sollen alle übrigen festgehaltenen Israelis übergeben werden. Das israelische Militär soll komplett aus dem Gazastreifen abgezogen werden.
In einer dritten Phase sollen Tote und die sterblichen Überreste Getöteter ausgetauscht werden. Die Waffenruhe würde auch die Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ermöglichen, die unter Hunger und einem gravierenden Mangel an Grundversorgung leidet.
Menschen in Gaza hoffen auf ein Ende des Krieges
„Die Menschen sind optimistisch und beten gleichzeitig, dass aus dieser Hoffnung ein echtes Abkommen wird, das den Krieg beendet“, sagte Jamen Hamad, ein Vater von vier Kindern, der in einer UN-Schule in Deir Al-Balah im zentralen Gazastreifen lebt. „Die Leute warten auf die Nachricht von einer Waffenruhe, sie sind trotz der anhaltenden Bombardierung ein wenig hoffnungsvoll“, sagte er Reuters über eine Messaging-App.
Israels Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem 7. Oktober die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom gestoppt und zugleich massive Luftangriffe gestartet. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel seitdem behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr 27.600 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können.