Die Familie der durch Israel getöteten US-türkischen Friedensaktivistin Ayşenur Ezgi Eygi und mehrere US-Kongressabgeordnete fordern eine unabhängige Untersuchung. Dafür versammelten sie sich am Dienstag vor dem US-Kapitol in Washington. „Es sind 100 Tage vergangen, seit Ayşenur getötet wurde, und niemand übernimmt die Verantwortung dafür – das ist völlig inakzeptabel“, sagte Pramila Jayapal, US-Kongressabgeordnete in Washington.
Die damals 26-jährige Friedensaktivistin war am 6. September bei einem Protest in Nablus im besetzten Westjordanland durch einen Kopfschuss getötet worden. Der mutmaßliche Täter ist ein israelischer Soldat. Der Vorfall löste weltweit Empörung aus.
Jayapal zog außerdem Parallelen zur US-Friedensaktivistin Rachel Corrie, die 2003 in Gaza im Alter von 23 Jahren von einem israelischen Armeebulldozer überfahren wurde. Auch damals hatte es keine Konsequenzen gegeben und die Anklage wurde abgewiesen. Eine Reaktion durch die damalige US-Regierung unter George W. Bush auf das Urteil blieb aus.
Rashida Tlaib, US-Abgeordnete in Michigan, beklagte, dass es auch dieses Mal unter US-Präsident Joe Biden keine Bemühungen für eine unabhängige Untersuchung gebe. „Wenn Amerikaner im Ausland getötet werden, ist es für unsere Regierung üblich, eine Untersuchung einzuleiten. Aber wenn die Mörder eine israelische Uniform tragen, herrscht völliges Schweigen und völlige Untätigkeit.“
„Das mutige Andenken ehren“
„Heute stehen wir hier, um das mutige Andenken einer amerikanischen Frau zu ehren“, sagte Delia Ramirez, US-Kongressabgeordnete von Illinois. Obwohl Ayşenur die Gefahr gekannt habe, habe sie sich der israelischen Besatzung entgegengestellt.
Ayşenurs Schwester Özden Bennett versprach, den Fall nicht ruhen zu lassen, bis eine unabhängige Untersuchung stattfinde und äußerte zugleich ihre Trauer: „Sie hatte gerade ihren Abschluss gemacht, war voller Leben und bereit, die Zukunft zu begrüßen, aber diese Zukunft wurde ihr genommen.“
Ayşenurs Ehemann Hamid Ali erinnerte an die Worte Bidens, wonach die Verletzung eines US-Amerikaners eine Reaktion nach sich ziehen würde. „Wir sind heute hier und fragen: Wo ist die Reaktion für Ayşenur?” Das Warten auf das Ergebnis einer israelischen Untersuchung sei keine Reaktion. Auch die Tötung von Ayşenur durch israelische Soldaten als „unglücklichen Unfall“ hinzustellen, sei keine Reaktion, so Ali.
Israel spricht von „unbeabsichtigten“ Schüssen
Die USA hatten Israel vor rund drei Monaten zu einer „raschen, gründlichen und transparenten Untersuchung“ des Vorfalls aufgefordert. Ein vorläufiges Ergebnis der Untersuchung Israels soll darauf hindeuten, dass Ayşenur angeblich „indirekt und unbeabsichtigt“ von Schüssen israelischer Soldaten getroffen worden sei.
Videoaufnahmen und Zeugenaussagen legen jedoch eine gezielte Tötung durch einen Scharfschützen nahe. Laut dem Autopsiebericht des palästinensischen Justizministeriums wurde Ayşenur durch einen direkten Kopfschuss aus der Entfernung getötet.
Auch der Zeitpunkt deutet auf eine mutwillige Tötung hin: Einem Bericht der Washington Post zufolge lag der Höhepunkt der Auseinandersetzung mit den israelischen Soldaten mehr als 30 Minuten zurück. Zudem hätten sich die Demonstranten bereits rund 200 Meter von den israelischen Truppen entfernt.