Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, hat Pläne Israels für eine mögliche Annexion der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland scharf kritisiert. Die Forderung von Finanzminister Bezalel Smotrich, die „Souveränität“ über das Westjordanland auszuüben, sei „ein offener Aufruf zur Annexion“, schrieb Seibert am Dienstag im Onlinedienst X. „Jede Vorbereitung zur Umsetzung dieses Ziels verstößt gegen das Völkerrecht“, fügte er in seinem auf Englisch verfassten Beitrag hinzu. „Wir verurteilen diese Ankündigung, die die Stabilität der gesamten Region bedroht, scharf.“
Israels rechtsextremer Finanzminister hatte am Montag angekündigt, dass das kommende Jahr „das Jahr der Souveränität in Judäa und Samaria sein“ werde, wobei er die israelische Bezeichnung für das Westjordanland benutzte. Die bevorstehende Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus in Washington sei eine „wichtige Chance für den Staat Israel“.
Smotrich, zu dessen Ressort auch Bereiche des Verteidigungsministeriums gehören, sagte, er habe Vorbereitungen für die „Anwendung der Souveränität“ in israelischen Siedlungen in dem Palästinensergebiet angeordnet, die von der UNO als völkerrechtswidrig eingestuft werden. Israel hält das Westjordanland seit 1967 besetzt. Neben offiziellen Siedlungen gibt es auch sogenannte „wilde“ Siedlungen, die ohne Genehmigung der israelischen Regierung errichtet wurden. Zuweilen werden diese aber von der Regierung nachträglich legalisiert. Die israelische Besiedlung der besetzten Gebiete gilt als Hindernis für eine Zwei-Staaten-Lösung, also die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaates neben dem Staat Israel.
Smotrich fügte hinzu, Trump habe während seiner ersten Amtszeit „dramatische Schritte eingeleitet“, darunter die Anerkennung der Souveränität Israels über die besetzten Golanhöhen oder die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem.
„Wir waren kurz davor, die Souveränität über die Siedlungen in Judäa und Samaria zu übernehmen“, sagte Smotrich. „Jetzt ist es an der Zeit, es zu tun.“ Er werde darauf dringen, dass Israels Regierung mit der neuen US-Regierung in dieser Angelegenheit zusammenarbeite, betonte der Minister.
Israelische Gewalt im besetzten Westjordanland
In dem seit 1967 von Israel besetzten Westjordanland hat sich die Lage seit Beginn des israelischen Vernichtungskrieges im Gazastreifen deutlich verschärft. Nach Angaben palästinensischer Behörden wurden dort seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 780 Palästinenser von israelischen Soldaten oder Siedlern getötet und mehr als 6.300 weitere wurden verletzt.
Im Westjordanland leben rund drei Millionen Palästinenser sowie etwa 720.000 Israelis in Siedlungen, die von der UNO als völkerrechtswidrig eingestuft werden. Immer wieder kommt es dort zu Übergriffen auf Palästinenser durch extremistische Siedler und israelische Soldaten. Der UN-Sicherheitsrat hat diese Siedlungen 2016 für völkerrechtswidrig erklärt und Israel aufgefordert, alle Siedlungsaktivitäten einzustellen.