Der israelische Geheimdienst Mossad steht im Verdacht, in den 1980er Jahren Bombenanschläge auf deutsche und schweizerische Unternehmen ausgeführt zu haben. Diese sollen damals an der Entwicklung des pakistanischen Atomprogramms beteiligt gewesen sein. Über den Verdacht berichtete die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) vergangenen Sonntag.
Pakistan und der Iran riefen eigene Atomprogramme ins Leben
Die besagten Anschläge seien von dem damaligen Bestreben Pakistans und des Iran ausgelöst worden, eigene Atomprogramme aufzubauen. In diesem Kontext versuchte der Wissenschaftler Abdul Qadeer Khan, der als „Vater“ der pakistanischen Atombombe gilt, in Europa ein Netzwerk für das Atomprogramm seines Landes zu knüpfen.
So habe Khan in seinen jungen Jahren in Deutschland und den Niederlanden studiert. Seine Studienkollegen seien Teil eines Netzwerks gewesen, das laut NZZ Bestandteile für die Herstellung einer Atombombe vermittelte und verkaufte. Nach dem Studium hatte sich Khan demnach beim Urenco-Konsortium, das Urananreicherung betreibt, „spezifische Kenntnisse für die Nukleartechnologie“ angeeignet.
Pakistanisches Netzwerk soll auch Iran eingebunden haben
1987 trafen sich laut NZZ in einem Zürcher Hotel eine iranische Delegation und „einige europäische Vertreter aus dem Netzwerk des pakistanischen Wissenschafters Abdul Qadeer Khan“, um den Startschuss für Teherans Atomprogramm zu geben. Auch ein geheimer Bericht Khans über Zentrifugen sei an die Iraner verkauft worden.
Die besagte Kooperation bei den Atomprogrammen sickerte laut NZZ nicht zuletzt auch an die USA durch. Der Iran galt als ein Israel und den USA feindlich gesinnter Staat, gleichzeitig war Washington vor dem Hintergrund der sowjetischen Invasion in Afghanistan allerdings auch auf intakte Beziehungen zu Islamabad angewiesen. Die USA befanden sich demnach in einem „Dilemma“.
„Statt die Atomanlagen in Pakistan zu bombardieren, sollte das Übel an der Wurzel bekämpft werden“, schildert die Zeitung die damals angestellten Überlegungen über mögliche Konsequenzen. Gemeint waren damit vor allem Lieferanten aus Deutschland und der Schweiz. Auf diese sollte Druck aufgebaut werden, um sie zu einer Rücksichtnahme auf die Sicherheitsinteressen der Amerikaner und ihrer Verbündeten zu bewegen.
Die NZZ verweist in diesem Kontext auf kürzlich veröffentlichte Akten des „National Security Archive“, die die US-Kritik an Deutschland und der Schweiz bezüglich der Lieferungen und Dienstleistungen an Pakistan zeigten. Aus beiden Ländern wirkten je rund ein halbes Dutzend Unternehmen am pakistanischen Atomwaffenprogramm mit, wie das Blatt schreibt.
Experte: Mossad-Beteiligung wahrscheinlich
Die Bemühungen des US-Außenministeriums hätten jedoch in Bonn und Bern keine Wirkung gezeigt. Kurz danach kam es am 20. Februar, 18. Mai und 6. November des Jahres 1981 zu Sprengstoffanschlägen auf drei Unternehmen, die in das pakistanische Atomprogramm involviert waren. Dabei kam es zu Sachschäden.
Parallel dazu gab es laut NZZ Telefonanrufe, in denen weiteren Lieferanten „auf Englisch oder in gebrochenem Deutsch“ gedroht wurde. Siegfried Schertler, der damalige Inhaber eines betroffenen Lieferanten, habe der schweizerischen Bundespolizei mitgeteilt, dass „der israelische Geheimdienst mit ihm Kontakt aufgenommen“ habe. Ein Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Deutschland habe ihm dazu geraten, „dieses Geschäft“ aufzugeben.
Offiziell bekannte sich die „Organization for the non-proliferation of nuclear weapons in South Asia“ zu den Anschlägen, doch laut der Zeitung hält der Historiker und Nachrichtendienst-Experte Adrian Hänni eine Beteiligung der israelischen Mossad für wahrscheinlich. „Zwar fehle für den abschließenden Beweis eine ‚smoking gun‘, die Anschläge trügen aber eine geheimdienstliche Handschrift“, heißt es in der „NZZ“. Es gebe zudem Übereinstimmungen mit Sprengstoffanschlägen, die der Mossad zuvor in Europa vor dem Hintergrund des irakischen Atomprogramms ausgeführt habe. Anders als die USA unterhielt Israel zu Pakistan auch keine diplomatischen Beziehungen.