Bevor Muharrem Ince seine eigene politische Partei gegründet hat, vertrat der türkische Politiker lange Zeit die wichtigste Oppositionspartei des Landes, die Republikanische Volkspartei (CHP). Bei den Wahlen 2018 kandidierte er für das Amt des Präsidenten.
Als Präsidentschaftskandidat erhielt Ince knapp über 30 Prozent der Stimmen und belegte damit den zweiten Platz – hinter Recep Tayyip Erdoğan von der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AK-Partei) mit rund 53 Prozent.
Er durchlief einen Aufstieg an die Spitze der CHP-Hirarchie und schied später aus. Doch seine politische Laufbahn begann auf lokaler Ebene in seiner Heimat-Provinz Yalova, wo er am 4. Mai 1964 im Dorf Elmalık geboren wurde.
Dort übernahm Ince verschiedene Positionen in Vereinen, bevor er sich mit 38 Jahren für den Einzug ins Parlament entschied. Anfang der 1990er Jahre kam er in die Abgeordnetenliste der CHP und diente vier Amtszeiten.
Auf lokaler Ebene war er außerdem Provinz-Präsident des „Vereins zur Förderung der Ideen Atatürks“ (ADD) sowie Pressechef des örtlichen Fußballvereins Yalovaspor.
Präsidentschaftskampagne und Risse in der CHP
Bevor sich der 58-Jährige für Politik interessierte, galt seine wahre Leidenschaft der Lehre. Nach seinem Lehramtsstudium an der Uludağ-Universität (heute Balıkesir-Universität) unterrichtete er als Physiklehrer und war Schulleiter an verschiedenen Gymnasien und privaten Lehranstalten.
Ince kandidierte später für den Posten des Parteichefs der CHP und wurde unter dem Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu zu dessen Stellvertreter – eine Position, die er zwischen Juni 2010 und August 2014 inne hatte.
Ince, der mit seiner Frau Ülkü verheiratet ist und einen Sohn namens Salih Arda hat, wurde 2011 und 2013 in das Amt wiedergewählt. Im August 2014 trat er zurück und wurde durch Levent Gök ersetzt.
Bei den Kommunalwahlen 2014 spielte Ince eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Vefa Salman, dem CHP-Kandidaten für das Bürgermeisteramt von Yalova. Er spielte eine aktive Rolle in der Kampagne und während der Stimmenauszählung.
Nach der Niederlage der CHP bei den Präsidentschaftswahlen 2014 offenbarten sich Risse in Inces Beziehung zur Partei. Er begann, den derzeitigen Parteivorsitzenden Kılıçdaroğlu scharf zu kritisieren – unter anderem wegen der Kandidatenauswahl für den Posten des Präsidenten. Ekmeleddin Ihsanoğlu war der gemeinsame Kandidat der CHP und der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP). Dessen Eignung als Kandidat war bereits im Vorfeld umstritten. Ince erklärte bald darauf seine Kandidatur für den Parteivorsitz.
In einer Pressekonferenz sagte Ince, er werde nicht länger zulassen, dass die CHP in den Augen der türkischen Öffentlichkeit an Ansehen verliere. Die Partei werde von einer kleinen oligarchischen Elite geführt, behauptete er.
2014 kandidierte Ince für die Parteiführung, verlor aber im Kongress mit 415 zu 740 Delegiertenstimmen gegen Kılıçdaroğlu. Im folgenden Wahlzyklus kandidierte Ince erneut für den CHP-Vorsitz. Während des 36. CHP-Kongresses im Februar 2018 erhielt Ince 447 Stimmen, während Kılıçdaroğlu mit 790 Stimmen erneut zum Parteivorsitzenden erklärt wurde.
Ince scheiterte zwar wiederholt, doch bei den Präsidentschaftswahlen 2018 wurde er als Präsidentschaftskandidat der CHP bestimmt. Kılıçdaroğlu erklärte die Unterstützung der Partei für Ince, kurz darauf wurde seine Kandidatur bekannt gegeben.
Der Wahlkampf 2018 von Ince begann mit einer Wahlkundgebung in Yalova unter dem Motto „Türkiye'ye güvence Muharrem Ince“, was so viel bedeutet wie „Muharrem Ince, eine Garantie für Türkiye“. Doch am Ende gewann Erdoğan und Ince musste seine Niederlage anerkennen.
Nach dem 37. CHP-Kongress kündigte Ince an, im September 2020 die Heimatpartei gründen zu wollen. Im Janur 2021 kündigte er seinen Rücktritt aus der CHP an, einen Monat später ließ er seinen Worten Taten folgen.