Auch nach der Befragung von zwei Beamten am Donnerstag vor dem Frankfurter Landgericht bleibt die Tatbeteiligung von Polizisten an den „NSU 2.0“-Drohschreiben vom August 2018 unklar, wie die Deutsche Presse Agentur und Islamiq am Donnerstag berichteten.
Bei den Vernommenen handelte es sich um eine Polizistin, von deren Dienstrechner aus persönliche Daten der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız abgerufen wurden. Diese erhielt 2018 den ersten Drohbrief. Der zweite Vernommene war ein Polizeibeamter, der später gegen die Kollegin ermittelte.
Die Polizistin des 1. Reviers verweigerte vor Gericht die Auskunft. Es liege keine Aussagegenehmigung vor, erklärte ihr Anwalt. Wie sich herausstellte, hatte weder die Richterin noch der Staatsanwalt diese Erlaubnis beantragt. Abgesehen davon würde die Polizistin ohnehin nicht aussagen, sagte ihr Anwalt. Gegen die Beamtin laufen ein Disziplinarverfahren sowie ein Strafverfahren im Zusammenhang mit ihrer mutmaßlichen Mitgliedschaft in einer rechten Chat-Gruppe bei der Polizei.
Chats als „Zufallsfund“
Die Chats seien ein „Zufallsfund“ bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit der Datenabfrage gewesen, erklärte der zweite Polizist, der am Donnerstag vernommen wurde. Wer im 1. Revier die Daten von Başay-Yıldız abrief, ist weiter offen. Die Polizistin habe bei der Vernehmung im September 2018 gesagt, sie könne sich nicht erinnern, verschiedene Kollegen hätten Zugriff auf ihren Rechner gehabt. Sie habe „geschockt“ gewirkt, sagte der Ermittler, ihre Aussagen habe er insgesamt „plausibel“ gefunden.
Dritte Zeugin war eine ehemalige Aktivistin der Frauenbewegung Femen, die im Drohbrief Nummer 69 im August 2020 beschimpft wurde. Unterzeichnet war das Schreiben mit „NSU 2.0. Der Führer“. Die Berliner Studentin hatte davon nur durch ein Schreiben des Landeskriminalamts erfahren, die Drohmail war an einen anderen Empfänger geschickt worden. Den Text habe sie „widerlich“ gefunden, sagte die Zeugin, er habe sie „wütend“ und „betroffen“ gemacht. Angst habe sie nicht gehabt, als Aktivistin sei sie Anfeindungen gewöhnt gewesen, sie habe dadurch wohl „eine hohe Angstschwelle“.
In dem Prozess muss sich der Berliner Alexander M. wegen Beleidigung, Bedrohung, Nötigung und Volksverhetzung verantworten. Er soll der Verfasser zahlreicher Drohschreiben gegen Politikerinnen, Rechtsanwälte und Personen des öffentlichen Lebens sein. Zwischen August 2018 und März 2021 soll er laut Anklage über 100 selbst verfasste Drohschreiben verschickt haben – per E-Mail, Fax oder SMS. M. bestreitet die Vorwürfe. Der Absender „NSU 2.0“ spielt auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) an.
Mehr zum Thema: „NSU 2.0-Prozess”: Was bleibt, ist die Angst in der Gesellschaft
1 Juli 2022
Prozess um „NSU 2.0“-Schreiben: Tatbeteiligung von Polizisten weiter unklar
Im Prozess rund um „NSU 2.0“-Drohschreiben ist weiterhin unklar, wer persönliche Daten der Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız von einem Polizeidienstrechner aus abgerufen hat. Im August 2018 gab es bundesweit eine Serie der Drohschreiben.
TRT Deutsch
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