15. Januar 2023, Lützerath: Die Polizei steht vor einem Gebäude, in dem sich Klimaaktivisten befinden. / Foto: DPA (dpa)
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Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hat die Polizei gegen den Vorwurf unverhältnismäßiger Gewaltanwendung bei der Anti-Kohle-Demonstration am Samstag nahe Lützerath in Schutz genommen. Die Polizei habe „hochprofessionell“ gearbeitet, sagte Reul am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“.

Er werde jeden Fall von unangemessener Polizeigewalt untersuchen lassen. „Wir haben ein, zwei Filme im Netz gesehen, wo wir sagen: ‚Das sieht nicht gut aus.‘ Das werden wir uns genau anschauen, da haben wir auch Strafanzeige gestellt vorsichtshalber, weil ich finde, das muss gecheckt werden. Das habe ich die letzten Jahre immer gemacht, und das wird auch jetzt so gemacht.“

Es sei aber nicht so, als wären bei der Demo massenhaft „wild gewordene Polizisten“ unterwegs gewesen. Von den Veranstaltern der Demo hätte er sich gewünscht, sich klar von Gewalt zu distanzieren, aber das sei nicht geschehen.

Klimaaktivistin widerspricht Aussagen

Klimaaktivistin Luisa Neubauer widersprach dem und warf der Polizei in der Sendung einen unverhältnismäßig gewalttätigen Einsatz vor. „Das sah in keiner Weise professionell aus“, kritisierte sie. Neubauer verwies darauf, dass nach Angaben einer Sanitäterin der Demonstranten viele Menschen von der Polizei schwer verletzt worden seien. Der Protest dagegen sei friedlich gewesen. Die Demonstration hatte sich gegen den Abriss des Dorfes Lützerath westlich von Köln und das Abbaggern der darunter liegenden Kohle gerichtet.

Dutzende Verletzte

Am Rande der Großdemo hatten laut Polizei rund 1000 großenteils vermummte „Störer“ versucht, auf das abgesperrte Gelände von Lützerath vorzudringen. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray gegen sie ein. Zwölf Personen wurden fest- oder in Gewahrsam genommen. Nach Polizei-Angaben wurden neun Aktivisten mit Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Eine Sprecherin des Sanitätsdienstes der Demonstranten hatte aber gesagt, es sei eine „hohe zweistellige bis dreistellige Zahl“ von Teilnehmern verletzt worden.

Nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist die Räumung weitgehend so gelaufen wie erwartet. Allerdings hätten die Wetterbedingungen mit Dauerregen und tiefem Morast den Einsatz erschwert, sagte Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei, der Deutschen Presse-Agentur. Für ihn sei unverständlich, dass es friedliche Teilnehmer nicht geschafft hätten, „sich von den gewalttätigen Teilnehmern zu distanzieren“. Dies habe es den Polizisten und Polizistinnen erschwert, „hier angemessen einzuschreiten“. Insgesamt hätten die Einsatzkräfte mit Besonnenheit und „dem nötigen Augenmaß“ agiert.

Die Polizei schloss am Sonntag die Räumung des Protestdorfes Lützerath am rheinischen Braunkohletagebau bis auf zwei Aktivisten in einem Tunnel ab. „Es befinden sich keine weiteren Aktivisten in der Ortslage Lützerath“, teilte die Polizei mit. Die meisten Gebäude waren am Sonntag schon abgerissen - darunter der Bauernhof des letzten Landwirts von Lützerath. Wann die beiden Aktivisten im Tunnel herausgeholt werden können, war nach Angaben von RWE am Sonntag noch unklar. Die Werkfeuerwehr hat die als „Rettung“ bezeichnete Aktion übernommen.

Mehr als 70 Polizisten verletzt

Die Polizei teilte am Abend mit, dass auch die insgesamt 35 „Baumstrukturen“ sowie knapp 30 Holzkonstruktionen in Lützerath geräumt worden seien. Knapp 300 Personen seien aus Lützerath weggebracht worden, wobei es zu vier Widerstandshandlungen gekommen sei. Seit Beginn der Räumung seien 154 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Mehr als 70 Polizistinnen und Polizisten seien seit Beginn des Räumungseinsatzes verletzt worden. Ein Sprecher hatte am Sonntag aber gesagt, dass die Verletzungen nur zum Teil auf Gewalt durch Demonstranten zurückgingen.

RWE geht davon aus, dass der Abriss von Lützerath schon bald abgeschlossen sein wird. Man erwarte, dass der Rückbau noch acht bis zehn Tage dauere, sagte ein Sprecher der „Rheinischen Post“ (Montag). „Im März oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und abbaggern.“ Bis zum Ende des Rückbaus wolle die Polizei vor Ort bleiben.

dpa