Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat eine richtungsweisende Entscheidung zu Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie getroffen. Per Eilbeschluss setzten die Richter am Montag die generellen Beschränkungen im Kreis Gütersloh vorläufig außer Vollzug. Die Fortschreibung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens im gesamten Kreisgebiet war laut einer Prüfung im Eilverfahren rechtswidrig. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen sah sich in ihrem Vorgehen generell dennoch bestätigt. Nach dem massiven Corona-Ausbruch beim Fleischbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hatten die Behörden zunächst einen Lockdown für den Kreis Gütersloh und für den Nachbarkreis Warendorf verfügt. Letzterer wurde später aufgehoben, die Maßnahmen im Kreis Gütersloh aber um eine Woche bis einschließlich diesen Dienstag verlängert. Festgeschrieben wurde dies in einer zweiten Corona-Regionalverordnung. Dagegen zog eine Firma aus Oelde im Kreis Warendorf vor Gericht, die im Kreis Gütersloh Spielhallen unter anderem in Schloß Holte Stukenbrock und Versmold betreibt. Das OVG gab dem Eilantrag statt: Anstatt der Verlängerung wäre es „möglich und erforderlich“ gewesen, eine „differenziertere Regelung“ zu erlassen. Einschränkungen für das gesamte Kreisgebiet seien nicht mehr verhältnismäßig, erklärten die Münsteraner Richter.
Künftig kann kein Lockdown automatisch angeordnet werden
Von dem Urteil könnte Signalwirkung ausgehen, weil demnach ein Lockdown künftig in Nordrhein-Westfalen nicht mehr automatisch für einen gesamten Landkreis angeordnet werden kann. Bundesweit gilt derzeit die Regelung, dass Einschränkungen des öffentlichen Lebens beim Erreichen einer kritischen Marke von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen verfügt werden.
Die Landesregierung sieht sich in ihrem Vorgehen dennoch bestätigt: „Die aktuell in Gütersloh verordneten Maßnahmen waren Vorsichtsmaßnahmen, die so lange gelten sollten, bis ein möglicher flächendeckender Eintrag in die Gesamtbevölkerung ausgeschlossen werden kann“, erklärte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Und dieses Ziel sei erreicht worden.
Tatsächlich bewerteten es die Richter als angemessen, dass die Behörden zu Beginn für den gesamten Kreis kurzfristig strengere Schutzmaßnahmen als für andere Regionen Nordrhein-Westfalens ergriffen hatten. Das habe erlaubt, Zeit für Aufklärungsmaßnahmen zu gewinnen, um anschließend auf belastbarer Grundlage über die weitere Vorgehensweise entscheiden zu können.
Gefährdungslage unterscheidet sich nicht signifikant von anderen Städten
Später hätte aber eine differenziertere Regelung erlassen werden müssen. Laut den Ergebnissen der seit Entdeckung des Ausbruchs vorgenommenen Massentests unter den Einwohnern des Kreises Gütersloh variiere die Verteilung der bestätigten Neuinfektionen innerhalb der kreisangehörigen Städte und Gemeinden erheblich.
Insbesondere in den Städten im Norden und Osten des Kreises seien nur wenige Neuinfektionen festgestellt worden. Vor diesem Hintergrund sei nicht mehr ersichtlich, dass sich die dortige Gefährdungslage signifikant von derjenigen in anderen außerhalb des Kreisgebietes gelegenen Städten und Gemeinden vergleichbarer Größenordnung unterscheide. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Die Landesregierung erklärte, dass nun anstelle der allgemeinen Einschränkungen kein Lockdown für einzelne Gemeinden des Kreises erlassen werde. Die Maßnahmen könnten „auf die bereits verhängten Quarantänemaßnahmen für von der Infektion betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens sowie im Bedarfsfall ihre Familien begrenzt werden“.