Die Corona-Lage in Deutschland hat sich nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) seit vergangener Woche verschlechtert und könnte schnell kippen. Nachdem die Fallzahlen seit Wochen auf einem hohen Plateau gelegen hätten, sehe man aktuell wieder einen Anstieg, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Das sei besorgniserregend. „Immer noch infizieren sich zu viele Menschen mit Sars-CoV-2.“
Das Plateau, auf dem man sich befinde, sei „äußerst fragil“, das Infektionsgeschehen könne schnell wieder kippen, so Wieler. Die Fallzahlen könnten rasch wieder exponentiell ansteigen, dafür reichten wenige zusätzliche Fälle aus. „Das müssen wir verhindern.“ Die Kontakte in der Bevölkerung seien noch nicht ausreichend reduziert worden.
Die Gesundheitsämter seien zunehmend erschöpft, in einigen Regionen hätten Krankenhäuser ihre Belastungsgrenze erreicht. „Wir sehen immer mehr Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen.“ Und auch die Zahl der schweren Verläufe und Todesfälle nehme zu. Das Virus zirkuliert den Angaben nach zunehmend in Risikogruppen. Mehr als 13.000 der insgesamt 20.372 Toten nach Corona-Infektionen in Deutschland seien 80 Jahre und älter.
Innerhalb Deutschlands sieht das RKI große Unterschiede: In manchen Regionen gelinge es offenbar besser als in anderen, Infektionen zu verhindern. „Das zeigt, dass Infektionsschutzmaßnamen wirken, wenn sie effektiv umgesetzt werden“, sagte Wieler. Die Leiterin des RKI-Lagezentrums, Ute Rexroth, ergänzte, besonders besorgniserregend sei die Lage in Thüringen und Sachsen.
Um Ansteckungen zu verhindern, müssten alle konsequent mitmachen, appellierte der RKI-Chef mit Blick auf die Regeln zu Mindestabständen, Hygiene, Alltagsmaske und Lüften. Alle sollten Kontakte auf das „zwingend Notwendige“ reduzieren, appellierte er. Man solle auf Treffen verzichten und Freunde und Familie schützen. Die Trendwende sei nur gemeinsam zu schaffen.
Vorbereitungsgruppe soll Lockdown-Beschlussvorschlag entwerfen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder werden einem Medienbericht zufolge am Sonntag über einen harten Lockdown bis 10. Januar entscheiden. Wie der Business Insider am Mittwochabend meldete, soll eine gemeinsame Vorbereitungsgruppe bis zum 13. Dezember einen Beschlussvorschlag entwerfen. Dieser soll dann im Rahmen eines sogenannten Umlaufbeschlusses oder einer Telefonkonferenz verabschiedet werden.
Bei einem Umlaufbeschluss setzen alle Länder ihre Unterschrift unter ein Papier, kommen aber nicht persönlich oder via Telefonschalte zusammen.
Am Dienstag und Mittwoch gab es nach Angaben des Business Insiders hinter den Kulissen zahlreiche Gespräche der Länder untereinander. Die sieben SPD-geführten Länder sowie Thüringen und Baden-Württemberg lehnten demnach einen neuen Gipfel eigentlich ab. Nach ihrer Ansicht sind notwendige regionale Verschärfungen in Corona-Hotspots bereits jetzt möglich, wurden aber vor allem im Süden und in Sachsen und Sachsen-Anhalt aber zu lange nicht umgesetzt.
Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Corona-Neuinfektionen hatte bis Donnerstagfrüh einen Höchststand erreicht: Die Gesundheitsämter übermittelten dem RKI 23.679 Neuinfektionen. Der bisherige Rekordwert war am 20. November mit 23.648 gemeldeten Fällen erreicht worden. Bereits im Lagebericht vom Mittwoch schrieb das RKI, seit dem 4. Dezember sei ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen zu beobachten.