28. Juni 2022: Vertreter von Türkiye, Finnland, Schweden und NATO nach Unterzeichnung der Absichtserklärung (AA)
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Türkiye hat sich lange dagegen gewehrt, ihr Veto gegen den NATO-Beitritt von Finnland und Schweden zurückzuziehen. Nach zähen Verhandlungen und einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen den drei Ländern hat Türkiye ihr Veto zurückgezogen. Dabei sollte man sich anschauen, wie sich der Diskurs bis zum NATO-Gipfel entwickelt hat. Denn erst dann kann man verstehen, welch großen Erfolg Türkiye errungen hat.

In den westlichen Medien wurde immer wieder argumentiert, „der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan verkompliziere den NATO-Beitritt von Schweden und Finnland“. „Türkiye sei ja ohnehin nie ein vertrauenswürdiger Partner.“ „Militäroperationen im Nordirak und die militärische Präsenz in Libyen und nun auch in der Ägäis seien Entscheidungen, die dem Westen Angst machten“. „Aber Erdoğan mache es ja nur, um von innenpolitischen Problemen abzulenken“. „Vor allem die Wirtschaft mache Erdoğan zu schaffen“. „Deswegen diese außenpolitischen Entscheidungen Erdoğan in die Hände spielen“. „Damit könne er sich als starker Mann im eigenen Land profilieren und sich somit gute Chancen für die kommenden Wahlen ausrechnen“.

Das ist natürlich das, was die westlichen Medien zurzeit verbreiten. Derlei Nachrichten hörte man vor dem NATO-Gipfel in den letzten Wochen rauf und runter. Hier sollte die eigentliche Intention dieser Argumente hinterfragt werden: Was bezwecken die westlichen Medien mit diesen Aussagen?

Westen nimmt türkische Sicherheitsinteressen nicht ernst

Eigentlich liegt es auf der Hand, worauf die westlichen Medien mit diesen Aussagen abzielen. Sie wollten den Diskurs um den NATO-Beitritt von Schweden und Finnland in eine ganz andere Richtung lenken. Es wurden Argumente aufgeführt, die überhaupt nichts mit den Forderungen von Türkiye zu tun hatten. Hat etwa die türkische Militärpräsenz in Libyen und in der Ägäis auch nur im Entferntesten etwas damit zu tun, dass Abgeordnete im schwedischen Parlament trotz Verbot offensichtlich die Terrororganisation PKK unterstützen? Also wenn man diese Aussagen nebeneinander ganz nüchtern betrachtet: ganz und gar nicht.

Die Unterstützung der PKK durch schwedische Abgeordnete sollte überhaupt nicht als Rechtfertigung der türkischen Militäroperationen gesehen werden. Denn es gibt gar keinen Grund für Ankara, sich für etwas zu rechtfertigen. Es gibt eine beiderseitige Vereinbarung zwischen Türkiye und Libyen, Terroristen der PKK/YPG im Nordirak gefährden die territoriale Sicherheit von Türkiye, und Griechenland militarisiert zurzeit Insel in der östlichen Ägäis, womit es ganz klar gegen den Pariser Vertrag von 1947 verstößt.

Also wofür sollte sich Türkiye rechtfertigen? Dass sie wie jedes andere Land auch auf eine Bedrohung ihrer Sicherheit reagiert? Eigentlich müssen die NATO-Mitgliedstaaten und vor allem Schweden sich dafür rechtfertigen, warum sie bis vor kurzem türkische Sicherheitsinteressen nicht ernst genommen haben. In den westlichen Medien war bis dahin höchstens zu lesen, dass man mit Türkiye einen Konsens finden sollte, auch wenn Erdoğan kein leichter Partner sei. Wenn man sich beide Parteien anschaut, sieht die Situation eigentlich ganz anders aus. Rein objektiv gesehen ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, warum ein Staat die Aktivitäten einer Terrororganisation toleriert. In diesem Fall war der schwierige Partner ganz und gar nicht Türkiye.

Türkiye und ihre Loyalität

Dabei hat sich Türkiye seit Beginn des Russland-Ukraine-Kriegs als loyaler Partner der NATO bewiesen. Die Unterstützung für die Ukraine in Form von TB2-Drohnen war von strategisch hoher Bedeutung, um russische Angriffe abzuwehren. Zudem hatte Türkiye russischen Kriegsschiffen ohne zu zögern den Zugang durch den Bosporus verwehrt. Was hat Europa in der Zeit gemacht?

Außer Sanktionswellen gegen den Kreml gab es keine direkte militärische Unterstützung für die Ukraine, obwohl der ukrainische Präsident Selenskyj mehrmals diese Unterstützung in Form von beispielsweise einer Flugverbotszone gefordert hatte. Der Westen hat mit den Sanktionen nur erreicht, dass kein diplomatisches Fundament mehr bestand. Türkiye gelang es durch ihre Haltung, den beiden Konfliktsparteien noch eine diplomatische Plattform zu bieten. Damit konnte Türkiye die Fehler des Westens gerade noch ausbügeln. Ankara als schwierigen Partner in der NATO abzustempeln, ist daher nicht richtig.

NATO muss Türkiye gerecht behandeln

Türkiye hat sich als loyaler und vertrauenswürdiger Partner bewiesen. Nun ist die NATO gefordert, Türkiye für ihre Loyalität auch zu belohnen. Eigentlich ist es schon bedauernswert, dass Türkiye trotz ihrer Solidarität für die Ukraine immer noch nicht als vollständiges Mitglied (im diskursiven Sinne) angesehen wird und Interessen von Nicht-NATO-Staaten in westlichen Medien als höher und wichtiger bewertet werden. Türkiye forderte nur das, was andere Staaten auch in der Regel fordern würden, nämlich die Sensibilisierung für die innere Sicherheit.

Europa und der Westen haben zu lange die Aktivitäten der PKK toleriert, wenn nicht sogar aktiv unterstützt. Wenn es um ihre eigene Sicherheit ging, steckten sie in einer Sackgasse fest. Dabei haben sie sich dies selbst eingebrockt. Sie haben zu lange die Sicherheitsbedrohung seitens der PKK gegen Türkiye ignoriert bzw. kleingeredet. Nun steckt vor allem Schweden in einem innenpolitischen Dilemma, das vollkommen unnötig war.

Das Memorandum zwischen Türkiye, Schweden und Finnland ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Frage ist, inwiefern diese Absprache von Schweden und Finnland umgesetzt wird. Die ersten Äußerungen von Schwedens Außenministerin Linde, dass es eine erhebliche Verschärfung geben werde, wenn es darum geht, verschiedene Teile terroristischer Aktivitäten zu kriminalisieren, hören sich jedenfalls vielversprechend an. Auch die Thematisierung der F-16 Jets für Türkiye seitens US-Präsident Joe Biden und dass diese Entscheidung im Kongress wahrscheinlich durchgesetzt werden würde, gilt als großer Erfolg für Ankara. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wie sich der Madrid-Gipfel auf die internationale Arena auswirken wird.

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