Head of Freedom Party Kickl attends a news conference in Vienna / Photo: Reuters (Reuters)
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Und genau darum geht es: Wenige Stunden nach der Stabilisierung der Hochrechnungen in der sogenannten Elefantenrunde reagierten Politiker anderer Parteien live vor laufender Kamera so, als ob die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) zwar in der Tat die meisten Stimmen erhalten hat, aber das vom Prinzip her alle „bürgerlichen“ Parteien nichts falsch gemacht hätten.

Dem FPÖ-Spitzenkandidaten Herbert Kickl hat man klar gemacht, dass unter seiner Regie keine Koalition denkbar sei. Besonders deutlich wurde das von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) vorgebracht. Es stimmt zwar, dass trotz des FPÖ-Zuwachses theoretisch Alternativen zu einer Regierungsbeteiligung bestehen, aber einfach wird der Koalitionspoker bestimmt nicht.

Ohne die Auszählungen der Briefwahl, die aber wohl keine nennenswerten Änderungen mit sich bringen wird, folgen nach der FPÖ (29,2 Prozent) die ÖVP (26,5 Prozent), SPÖ (21 Prozent), NEOS (9 Prozent) und GRÜNE (8 Prozent). Die Wahlbeteiligung: mit 74,9 Prozent sehr hoch.

Welche Konstellationen denkbar sind

Im 183 Sitze umfassenden Nationalrat sind damit folgende Regierungsvarianten denkbar: eine Koalition zwischen FPÖ und ÖVP, zwischen ÖVP und SPÖ – wenn auch nur hauchdünn – oder eine Dreierkoalition zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS oder ÖVP, SPÖ und GRÜNE. Eine Viererkoalition scheint derzeit nicht auf dem Tisch zu liegen, ebenso wenig wie eine FPÖ-Minderheitsregierung.

Kommentatoren im politischen Milieu sollten es dringend vermeiden, angesichts des FPÖ-Wahlerfolgs mit erhobenem Zeigefinger auf die Bürger zuzugehen. Das Wichtigste ist nun, nicht nur zu überlegen, wie man mathematisch eine Zusammenarbeit mit dieser Gruppierung im Parlament verhindern kann, sondern zu verstehen, wie die FPÖ überhaupt so stark werden konnte.

Stimmenfang durch Angst

Leider muss man festhalten, dass Herbert Kickl und seine FPÖ clever auf einige Ängste der Bevölkerung eingegangen sind. Vor zwei Jahren etwa punktete die FPÖ mit ihrer Kampagne gegen Corona-Zwangsimpfungen und einschränkende Maßnahmen. Die Repressionen gegen Widerständler in der Corona-Zeit widersprachen dem demokratischen Verständnis vieler Menschen.

Doch die FPÖ-Parolen präsentierten stets zwei Seiten einer Medaille: Freiheit und Rechtspopulismus – Stichwort: Islamophobie und Ausländerhass. Auch andere Parteien äußerten sich leider sehr oft in diese gefährliche Richtung, auch die ÖVP als Sebastian Kurz noch am Ruder stand. Rassismus durch die Impfpflicht-Hintertür sozusagen – eine Strategie die aufging.

Eine Protestpartei?

Aktuell sind es die Themen Inflation und Ukraine-Hilfen, die sich in Form von Sorgen der Bevölkerung um ihren Geldbeutel äußern. Doch kann man den Erfolg der FPÖ nur dadurch erklären, dass sie einen gewissen Protest zum Ausdruck bringt? Protestpartei hieße, Wahlergebnisse maximal im unteren zweistelligen Bereich, zwischen zehn und zwölf Prozentpunkte – aber nicht fast 30.

Und hier muss die etablierte Mitte – falls dieser Begriff taugt – dringlichst aufpassen. Fast jeder Dritte Bürger scheint zumindest einige der FPÖ-Thesen und -Themen gutzuheißen. Parolen wie vom SPÖ-Spitzenmann Andreas Babler („Mit dieser Republik spielt man nicht“) oder von Bundeskanzler Nehammer („Radikale nicht zum Zug kommen lassen“) sind natürlich vom Prinzip her richtig. Doch ändert dies nichts am Stimmenanteil der FPÖ.

Ist die Demokratie wehrhaft? Man muss es hoffen und ebenso davon ausgehen, dass nicht alle Wähler der FPÖ automatisch rechtsradikal sind.

Zwischen Ausgrenzung und Regierungsbeteiligung

Und hier ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen gefragt. Unter normalen Umständen würde er der stärksten Partei und ihrer Spitzenperson das Mandat zur Regierungsbildung übertragen und somit theoretisch auch die Bundeskanzlerschaft antragen. Nur ist es ebenso notwendig, dass der Bundespräsident sich genau überlegen muss, ob mit der FPÖ unter Kickl eine stabile Regierungsbildung überhaupt möglich wäre.

Stürmische politische Zeiten stehen bevor. Man darf die FPÖ-Wähler nicht komplett auf ein Abstellgleis schieben, aber auch keinesfalls Rassismus salonfähig machen. Können die Mainstream-Parteien dieses Meisterstück hinkriegen? Ist sich der Bundespräsident seiner großen Verantwortung bewusst?

In einer Demokratie hat Rassismus keinen Platz. Wenn die politische Mitte dies der Bevölkerung weitaus besser erklären kann, ist es zwar immer noch fünf vor zwölf, aber zum Glück noch nicht eine Minute nach zwölf.

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