Ibn Hayyan – Ein Chemie-Pionier aus dem 8. Jahrhundert (Others)
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von UFUK NECAT TASCI

Die Ursprünge der modernen Chemie lassen sich bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Dank dieses Wissenschaftszweigs haben wir heute neue Brennstoffe, Medikamente und lebenswichtige Materialien.

Laut dem renommierten deutschen Historiker Max Mayerhof wurde der wissenschaftliche Beitrag eines Gelehrten aus dem frühen Mittelalter zu einer der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der Chemie in Europa: des Alchemisten Dschabir ibn Hayyan.

In der westlichen Welt unter dem latinisierten Namen Geber bekannt, hat ibn Hayyan mehrere chemische Verfahren erfunden, die noch heute angewandt werden – unter anderem die Destillation, Kristallisation, Kalzinierung, Sublimation und Verdampfung.

Dem Gelehrten aus dem Goldenen Zeitalter des Islam werden weitere Innovationen zugeschrieben. Sie reichen von der Entwicklung des Stahls, der Aufbereitung verschiedener Metalle, dem Lackieren von wasserfesten Stoffen, dem Färben von Stoffen bis hin zum Gerben von Leder. Seine Anwendung von Mangandioxid bei der Glasherstellung, die Entdeckung der Rostverhinderung, die Entwicklung von Königswasser zur Auflösung von Gold und die Identifizierung von Farben und Fetten wurden zu wegbereitenden Techniken in der Chemie.

Die moderne Klassifizierung der Elemente – sowohl von Metallen als auch von Nichtmetallen – hat ihren Ursprung in der chemischen Nomenklatur von ibn Hayyan. Er schlug drei Kategorien für natürliche Elemente vor: Spirituosen, die bei Hitze verdampfen, Metalle wie Gold, Silber, Blei, Eisen und Kupfer, und Steine, die in Pulver umgewandelt werden können. Diese von ihm eingeführte Klassifikationsmethode ist für die moderne Chemie von großer Bedeutung.

Die Alchemie konzentrierte sich hauptsächlich auf die Präparation von Edelmetallen. Mit seiner Arbeit an der Entwicklung grundlegender chemischer Methoden bewies ibn Hayyan, dass er seiner Zeit voraus war. Durch forschendes Experimentieren und das Studium chemischer Reaktionen und ihrer Prinzipien gelang es ihm, die Chemie aus dem Reich der Mythen und Legenden zu befreien – und in eine wissenschaftliche Disziplin zu verwandeln.

Ibn Hayyan legte in seiner Arbeit großen Wert auf Experimentierfreudigkeit und Genauigkeit. Seine Motivation rührte aus seiner Überzeugung: „Das Wesentlichste in der Chemie ist, dass man praktische Arbeit leistet und Experimente durchführt. Denn wer keine praktische Arbeit leistet und keine Experimente macht, wird nicht einmal den niedrigsten Meistergrad erreichen.“

Der englische Historiker Eric John Holmyard nannte Ibn Hayyan „Vater der Chemie“. Die Durchführung des chemischen Experiments sei dank ibn Hayyan zu einem grundlegenden Aspekt der Wissenschaft geworden.

Ibn Hayyans Abhandlungen über die Alchemie wurden ins Lateinische und weitere europäische Sprachen übersetzt. Sie wurden zu Standardwerken der Alchemie. Einige von ihm eingeführte Fachausdrücke, wie z.B. das Wort „Alkali“, fanden ihren Weg nach Europa und sind seither Teil des wissenschaftlichen Vokabulars.

Oftmals fällt der Name Dmitri Mendelejew, wenn vom Periodensystem der Elemente die Rede ist. Tatsächlich war ibn Hayyan der erste, der versuchte, eine Tabelle zur Klassifizierung von Elementen zu erstellen. Als Grundlage diente ihm die Idee der Altgriechen, die Elemente in Gruppen von Metallen, Nichtmetallen und destillierbaren Stoffen zu kategorisieren.

Ibn Hayyan hinterließ eine beeindruckende Werksammlung. Mehr als 1300 Bücher und Artikel werden ihm zugeschrieben - von der Kosmologie bis hin zur Alchemie decken sie fast alle Themenbereiche ab, die für die damalige Zeit von wissenschaftlicher Relevanz waren. 300 seiner Bücher befassen sich mit Philosophie, weitere 300 mit Mechanik. 500 Werke von ibn Hayyan handeln von der Physik und 112 von der Alchemie. 70 Bücher widerspiegeln seine experimentellen Arbeiten in der Chemie.

Ein Chemie-Pionier in Mesopotamien

Ibn Hayyan wurde 721 n. Chr. in Tus, Persien, geboren. Sein Vater wurde wegen Unterstützung des abbasidischen Kalifats hingerichtet. Die Abbasiden befanden sich damals im Krieg mit den Omayyaden. Nach der Hinrichtung des Vaters verließ ibn Hayyan die Stadt Kufa und wurde zu Verwandten in den Jemen geschickt. Dort wurde er in Koranrezitation, Mathematik und anderen wissenschaftlichen Disziplinen ausgebildet.

Nachdem die Abbasiden die Omayyaden-Dynastie gestürzt hatten, kehrte ibn Hayyan nach Bagdad zurück – zur Hauptstadt der Abbasiden. Hier diente er als gefeierter Alchimist am Hofe des berühmten abbasidischen Kalifen Harun al-Rashid.

Der Gelehrte hatte eine enge Beziehung zu den Barmakiden, einer einflussreichen iranischen Familie aus Balkh. Als sie für den Kalifen eine Bedrohung darstellten, wurden die Familienmitglieder und Sympathisanten verbannt, darunter ibn Hayyan.

Er starb in Kufa, im heutigen Irak, und wurde 94 Jahre alt. Sein ganzes Leben widmete der Chemie-Pionier der Forschung und Wissenschaft.


TRT Deutsch