Im März ist der jüngste World Happiness Report 2024 erschienen. Die globale Auswertung, die bereits seit 2012 jährlich erhoben wird, reflektiert über den Stand des Glücks und Wohlbefindens in den heutigen Nationen - und deren Faktoren. In diesem Jahr drehte sich der Report im Schwerpunkt um das Glück des Menschen in seinen verschiedenen Lebensabschnitten.
Worin unterscheidet sich das Glück der Jungen und das Glück der Alten? Wie entwickelt sich unser Lebensglück über die Spanne unseres Lebens hinweg? Lassen sich universale Trends identifizieren? Diesen Fragen geht TRT Deutsch im Interview mit dem interkulturellen Glücksexperten und Management-Trainer Prof. Dr. Mike Hoffmeister von der Ostfalia Hochschule nach.
TRT: Herr Prof. Dr. Hoffmeister, wie kam es zum World Happiness Report?
Der jährliche Report geht auf eine Initiative des Landes Bhutan im Jahr 2012 zurück. Als der König von Bhutan starb, reiste sein Sohn und Nachfolger zwei Jahre durch das Land und befragte die Leute, was sie glücklich macht. Er stellte einen Antrag bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) mit dem Ziel, die folgende Resolution aufzunehmen: „Jeder Mensch auf der Welt hat das Recht, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen – mit einem hohen, subjektiven Wohlbefinden.“
Der neue König von Bhutan wollte, dass das „Glück“ eines Landes nicht länger nur monetär durch das Brutto-Inlands-Produkt (BIP) ermittelt wird, sondern durch ein „Gross National Happiness Product“. Ergebnis war, dass der World Happiness Report aufgesetzt wurde und wir jeden Tag am 20. März den Weltglückstag feiern.
TRT: Wie steht das in Verbindung zur Positiven Psychologie?
Die Positive Psychologie entstand vor rund 15 Jahren in den USA. Der Begriff ist ein Umbrella-Wort für verschiedene Forschungsstudien der Glückswissenschaft, die diskutieren, wie man für sich ein gutes Leben gestaltet. Die Positiven Psychologie will Menschen motivieren, aus ihrer Opferrolle herauszukommen und zum Schöpfer ihres Lebens zu werden. Letztendlich geht es darum, dass Wohlbefinden der Menschen nachhaltig zu fördern. Daher wurde die Forschung der Positiven Psychologie zum Ausgangspunkt für den World Happiness Report.
TRT: Muss man das Glück nicht erst definieren, bevor man es misst?
In der Tat. Es gibt vielzählige Möglichkeiten, das Glück zu definieren und es ist wichtig, dass wir das tun. So unterscheide ich zwischen dem Zufallsglück, das wir im Englischen „luck“ nennen, dem Wohlfühlglück des Augenblicks und dem Lebensglück, das man auch als Werteglück bezeichnet.
Das Zufallsglück alias Schicksal ist beispielsweise nicht unwichtig für ein gutes Leben, denn es entscheidet, ob wir unter „glücklichen Umständen“ leben, d.h. Lebensumständen, die unser Glück begünstigen. Wir dürfen das Zufallsglück daher nicht vernachlässigen. In der Forschung geht es aber meist darum, wie wir unser Glück selbst beeinflussen können.
Sehr wichtig ist auch das Wohlfühlglück: Wie fühlen wir uns von Moment zu Moment? Die griechische Mythologie bezeichnet das als „kairos“, den rechten Augenblick. Dieses Glück lässt sich nur schwierig messen, denn unser Wohlgefühl schwankt: mal haben wir ein Hoch, mal ein Tief. Viele Faktoren haben darauf Einfluss. Die Frage muss daher lauten: Wie messen wir unser „Lebensglück“, d.h. die allgemeine Lebenszufriedenheit?
TRT: Kann man die Lebenszufriedenheit messen?
Auch das ist schwierig, denn es geht um einen längeren Zeitraum. Prof. Dr. Martin Seligmann, einer der Begründer der Positiven Psychologie von der PenUniversity in den USA, versuchte es über den Begriff des „Flourishings“, d.h. dem Aufblühen von Menschen. Lebenszufriedenheit wird bei ihm daran gemessen, wie sehr jeder Einzelne seine Fähigkeiten, Stärken und Talente einsetzen kann. Ich bezeichne es deshalb auch das „Werte-Glück“. Es gibt an, wie sehr wir uns entfalten, wachsen und aufblühen können.
Andere Forscher gehen noch weiter: Sie sprechen vom kollektiven oder spirituellen Werteglück und betonen, dass vor allem diejenigen glücklich sind, die einen größeren Beitrag zur Gesellschaft oder zum Universum in einem transzendenten Sinn leisten. Doch bei allen Befragungen ist die Abgrenzung vom Wohlfühlglück problematisch: Auf die Frage, ob sie gerade mit ihrem Leben zufrieden sind, antworten die Menschen nämlich zu 70 Prozent danach, wie sich im Augenblick fühlen.
TRT: Wie war das Vorgehen beim World Happiness Report?
Der Report wurde initial von der World Health Organisation (WHO) zusammen mit dem amerikanischen Personal-Unternehmen Gallup konzipiert. In diesem Jahr kamen mit der Universität von Oxford erstmals Europäer dazu. Es werden u.a. Fragen gestellt wie „Wer hat im letzten Jahr an eine Wohltätigkeitsorganisation gespendet?“. In einem religiös ausgerichteten Land wie den USA antworten hier viele mit „ja“, weil es dort üblich ist, Geld an die Kirche zu spenden. In Deutschland antworten viele fälschlicherweise mit „nein“, obwohl sie Kirchensteuer zahlen. So sind einige Fragen irreführend.
TRT: Die Messung gestaltet sich also schwierig?
Absolut. Rankings dieser Art sind sehr schwierig. Beim World Happiness Report ranken die Amerikaner mit sechs Punkten Vorsprung höher als die Deutschen. Sind die Amerikaner deshalb glücklicher? Wohl kaum. Es werden lediglich 1000 Menschen pro Land befragt. Ist das aussagekräftig? Ich bezweifle das. Zudem hat das Glück auch viele individuelle Komponenten und ist nicht einheitlich für eine Nation. Ein besserer Ansatz als ein Ranking wäre aus meiner Sicht die Unterteilung in Kategorien, in „sehr glückliche“, „glückliche“ und „weniger glückliche“ Länder.
TRT: Was zeichnet denn die „erfolgreichsten“ Glücks-Länder aus?
Bei den skandinavischen Ländern wie Dänemark – regelmäßig unter den Top 3 – sticht das gute Sozialsystem hervor: Man wird aufgefangen, wenn man arbeitslos wird, Schul- und Gesundheitssystem sind gut. Zwar zahlen die Bürger hohe Steuern, dafür gibt es eine deutlich stärkere Mittelschicht als hierzulande. Noch dazu: Das Vertrauen in die Regierung ist vorhanden. Man könnte also mutmaßen, dass „soziale Sicherheit“ Menschen besonders glücklich macht. Umgekehrt ranken die USA noch höher als Deutschland – und dort wird unter dem Mindset „vom Tellerwäscher zum Millionär“ der Wert der „Freiheit“ großgeschrieben.
TRT: Was ist Ihr Hauptkritikpunkt am Report?
Die kulturspezifischen Aspekte werden bei der nationalen Glücksmessung nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser Kritik der University of Berkeley in Kalifornien schließe ich mich an. Fast alle Studien kommen aus den USA und werden 1:1 auf die übrigen Länder übertragen. Maßstäbe aus einem Land, in dem Freiheit wichtiger ist als Sicherheit, auf andere Länder zu übertragen, in denen andere Werte vorrangig sind, funktioniert jedoch nicht ohne weiteres.
Ein gutes Beispiel aus meinem Forschungskolleg ist der Glücksfaktor „Fairness“, nachdem jeder behandelt werden will. Deutsche sind hier regelorientiert und setzen alle uneingeschränkt gleich. Für Inder bedeutet Fairness dagegen, die persönliche Situation zu berücksichtigen. Harmonie-Orientierung wird großgeschrieben und „konstruktive Kritik“ gar nicht erst verstanden. Wie also setze ich „Fairness“ dann um und schaffe ein Umfeld, wo sich alle entfalten?
TRT: Das ist sicher wichtig für das Glück im Arbeitskontext…
Genau. Gerade dann, wenn Leute aus ganz verschiedenen Ländern zusammenarbeiten, ist es wichtig, dass wir die jeweilige Kultur stärker berücksichtigen. Beziehungsorientierte Kulturkreise wie Indien haben den Ansatz: „Ich kann nur mit dir Geschäfte machen, wenn ich dich kenne und dir vertraue“. Wer so denkt und fühlt, braucht eine andere Herangehensweise als jemand aus einer tool- und regelorientierten Kultur wie Deutschland. Der Weltkongress der Gesellschaft für Positive Psychologie hat deshalb die kulturelle Adaption als „vierte Welle“ definiert, wonach wir den Kulturkreis bei den universalen Glücksfaktoren mitberücksichtigen müssen.
TRT: Indien war ein Schwerpunkt im diesjährigen Report.
Stimmt. Dabei gibt es „den Inder“ ja überhaupt nicht. Indien zählt 1,3 Mrd. Menschen mit 26 Sprachen und ganz unterschiedlichen Kulturkreisen - Hindus, Moslems und Christen. Grundsätzlich kann man sagen, dass Indien ein kollektivistischer Kulturkreis ist. Die arrangierte Ehe wird aus deutscher Perspektive oft missverstanden. Hierzulande macht jeder, was er will – egal, was die Eltern denken. In Indien würde man nie gegen den Willen der Eltern heiraten. Die Scheidungsquote liegt dort bei 1 Prozent, hierzulande bei 50 Prozent. Hier in Deutschland heiraten zwei Personen, in Indien zwei Familien.
Das zeigt: Für die Inder steht die Familie im Zentrum. Das ist ein ganz anderes Lebenskonzept. Bei unserem zweijährigen Masterstudienprogramm „Automotive Service Technology and Processes“ an der Hochschule Ostfalia in Wolfsburg haben wir viele indische Studenten: Auch bei denen kommt natürlich allmählich Individualisierung auf – wie auf der gesamten Welt. Das Mehrgenerationen-Wohnen in der indischen Kultur ändert sich mit der Globalisierung und dem Arbeiten im Ausland zunehmend. Institutionen wie „Altersheime“ sind aus indischer Sicht trotzdem befremdlich: man kümmert sich in der Familie um die Alten. Wir können also nicht aus amerikanisch-britischer Perspektive die Interventionen der Positiven Psychologie auf alle Kulturen übertragen. Da werden wir den Kulturen nicht gerecht.
TRT: Wie verändert sich unser Glück denn über die Lebensspanne?
Der World Happiness Report 2024 belegt hier, was wir schon länger wissen: Unser Glück nimmt mit dem Alter zu. Gründe dafür sind die steigende Gelassenheit, Weisheit, vielfältige Erfahrungen und ein zunehmender Grad an Freiheit. Man muss sich und Anderen nichts mehr beweisen. Auch auf Grund von Dankbarkeit und mehr Reflektion nimmt das Glück im Alter zu. Bei diesen Studien muss man natürlich differenziert betrachten, wer befragt wird: Leute unterschiedlichen Alters oder 60-Jährige, die zurückblicken? Sind es Längs- oder Querschnittsstudien? Die vielfach zitierte U-Glückskurve ist deshalb umstritten.
TRT: Können Sie die U-Glückskurve kurz erklären?
Sie besagt, dass unser Lebensglück im mittleren Lebensabschnitt absinkt und später wieder ansteigt. Das leuchtet ein: Kinder sind meist sehr glücklich. Mit der Schule und dem Leistungsdruck, möglichem Mobbing und der Pubertät, wo ich als Wilder gegen alles bin, geht die Glückskurve dann abwärts. Später kommen Zukunftsängste um Ausbildung und Arbeit negativ belastend hinzu. Mit der Familiengründung gehen oftmals eine gewisse „Glückseligkeit“, aber auch Einschränkungen im Leben einer.
Mitte 40 bis Mitte 50 erfahren manche dann ein richtiges Glückstief, die Midlife Crisis. Sie fragen sich: „War‘s das jetzt? Kriege ich noch andere Jobs? Kann ich noch was reißen? Hab ich alle meine Ziele erreicht?“ Wer diese Sinnkrise durchlaufen und überstanden hat, lebt oft nochmal auf. Bei Über-60-Jährigen sind die Kinder meist gut versorgt und aus dem Haus, die Hypotheken abbezahlt – und es bleibt wieder mehr Zeit für sich selbst.
TRT: Es sind aber nicht alle über das Älterwerden glücklich.
Stimmt. Insbesondere Menschen, die am Existenzlimit leben, sind nicht unbedingt gücklich. Im hohen Alter ab 60 bis 70 Jahren kommen auch wieder Sorgen auf durch Altersversorgung und Krankheit. Dann geht die Lebenszufriedenheit durch die körperlichen Gebrechen stark zurück und man beschäftigt sich mit dem Tod.
Bei meinen Glücks-Seminaren gehe ich gern mit den Studenten auf den Friedhof und visualisiere für sie an einem Maßband die ihnen voraussichtlich noch verbleibende Zeit: Sie ist für alle gleich. Keiner kann das Leben verlängern. Wir können nur die Qualität unseres Lebens verbessern. Wie? Indem wir tun, was uns Freude bereitet. Dafür müssen wir wissen, welche Werte für uns wichtig sind. Nicht, indem wir das Leben unserer Eltern leben. Ich gebe den Studierenden dann die Aufgabe, über ihre eigene Grabrede nachzudenken. Was sollen die Anderen über mich sagen? Die Reflektion hilft dabei zu erkennen: Wie möchte ich sein und mich entwickeln?
TRT: Was ist mit der jüngeren Generation?
Unter-30-Jährige sind laut dem Happiness-Ranking weniger glücklich. Doch warum ist das so? Im Gespräch mit Studenten stelle ich regelmäßig fest, dass einschneidende Konflikte und Ängste vorherrschen: sei es der Klimawandel, der Ukraine-Krieg, der Krieg in Israel, die Inflation, Pandemie oder der Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft. Für junge Menschen ist es heute schwierig, positiv und gelassen zu bleiben. Insbesondere wir Deutschen sind vielleicht besonders skeptisch. In Amerika nennt man das Phänomen auch „Die deutsche Angst“. Wir sind eine „Nation of Worriers“ (lacht).
Natürlich ist das Glück auch eine Generationsfrage. Ich selbst gehöre zu den „Baby Boomern“, für die es zählte, Leistung und äußere Erfolge zu zeigen. Deshalb kam ich persönlich auch in eine Krise. Für jüngere Menschen muss das nicht zwingend so sein: Bei ihnen steht der Ausgleich zwischen den Lebensbereichen oft stärker im Vordergrund und für „ein gutes Leben“ zählt nicht nur Geld. Daher betrachte ich in meiner Forschung die Generation Z in den einzelnen Ländern.
TRT: Welche Rolle spielt denn das Einkommen für das Glück?
Auch darüber hat die Positive Psychologie in der Vergangenheit vielfältig geforscht. Das Ergebnis: Bei geringem Einkommen macht Geld tatsächlich glücklicher, denn ich kann mir wichtige notwendige und schöne Dinge leisten wie einen Urlaub oder eine neue Waschmaschine. Ich kann auch meine Enkel einladen. Je mehr ich verdiene, desto weniger bedeutsam ist das Geld für mein Glück. Bei hohem Einkommen sind positive Erlebnisse wichtiger als Geld.
TRT: Ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod wichtig?
Unbedingt. Tod und Leben gehören schließlich zusammen. Meinen Studierenden schlage ich manchmal vor zur Sterbe-Begleitung ins Hospiz zu gehen. Das wird oft abgelehnt. Ich sage dann: Wieso nicht? Sterbende wollen doch etwas weitergeben. In den letzten Jahren bin ich mehrfach mit Studierenden zur Nelson Mandela University nach Südafrika geflogen, um mit Menschen anderer Kulturen wie z.B. Xhosa oder Zulus über den Umgang mit dem Tod zu diskutieren: Sollen wir den Tod betrauern oder feiern? Wir stellen regelmäßig fest: In Deutschland trauern wir um die Zeit, die wir nicht mehr mit der Person haben. Stämme wie die Xhosa feiern dagegen die Zeit, die sie mit der Person hatten. Das ist ein ganz anderer Ansatz. Die Kulturen können hier sehr gut voneinander lernen.
TRT: Was möchten Sie unseren Lesern noch mitgeben?
Eine Hand voll Glück! (lacht) Meine Erfahrung ist: Glück ist eine Entscheidung. Jeder kann sich nur selbst glücklich machen. Wer sich in einer passiven Opferrolle wohl fühlt, wird nie zum Schöpfer. Andere gestalten dann mein Leben. Ich muss also den Mut haben, aus meiner Komfortzone auszubrechen. Dazu muss ich loslassen und etwas Neues wagen. Loslassen fällt allen Menschen jedoch unglaublich schwer.
Eine weitere wichtige Erkenntnis ist: Ich kann nicht immer nur glücklich sein. Zum Glücklichsein gehört auch das Unglücklichsein dazu. Ich kann es lernen, negative Emotionen anzunehmen und hoffen, dass der morgige Tag besser wird. So wie die Wolken auch kommen und gehen, während die Sonne scheint. Dankbarkeits- und Optimismus-Übungen helfen dabei.
TRT: Haben Sie noch weitere Tipps, um glücklicher zu sein?
Ja. Wenn wir uns vergleichen, vergleichen wir uns gern mit denen, denen es angeblich besser geht, die mehr Geld haben und reich sind. Aber wir stellen nie die Frage: Welchen Preis zahlen die Menschen dafür, dass sie reich sind? Haben Sie immer noch gute Kontakte zu ihren Kindern? Die wenigsten vergleichen sich mit denen, denen es schlecht geht. Man muss sich klarmachen und dankbar sein für das, was man eigentlich schon hat. Und vor allem dankbar sein für das, was man nicht kaufen kann: Gesundheit, Freundschaft, Familie und die Möglichkeit, Andere zu unterstützen.
TRT: Was macht Sie persönlich aktuell glücklich?
Das ist zum einen meine Grundeinstellung zum Leben: „Das Leben ist schön!“ Menschen, die denken „Das Leben ist bitter“ haben es schwierig. Oft ist das Leben auch zu hektisch: Ich genieße es, mich draußen auch mal draußen hinzusetzen und mir „die Zeit zu nehmen“. Wir hasten so durchs Leben. Ich kann jedoch nur stark und für Andere da sein, wenn ich auch selbst psychisch gesund bin. Selbstfürsorge ist nicht egoistisch: Jeder muss auf sich selbst achten. Dazu gehört es, auch mal nein zu sagen.
Außerdem macht mich lebenslanges Lernen glücklich. Ich habe im Alter von 60 Jahren nochmal angefangen zu studieren, als Student der Positiven Psychologie an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport. Das Studium ist so interessant und gibt mir viele neue Kenntnisse und positive Energie. Es geht im Leben auch darum, neugierig zu bleiben und Dinge zu gestalten. So gesehen war mein Schlaganfall ein Glücksfall, weil ich dadurch Dinge losgelassen habe, die mich unglücklich gemacht haben und mich Dingen zugewendet habe, die mir Freude bereiten.
TRT: Welche Rolle spielt Social Media für unser Lebensglück?
Studien zeigen, dass unser Wohlfühlglück steigt, wenn wir drei Wochen ohne soziale Medien mit Freunden verbringen. Grundsätzlich werden „unsere“ Themen auf Social Media immer verstärkt – positiv wie negativ. Wer die teils brutale Berichterstattung verfolgt, verstärkt negative Gefühle. Wir sind aber für unser Denken und Fühlen verantwortlich und können kontrollieren, was wir aufnehmen. Das gilt übrigens auch für die, die sich ständig mit Menschen umgeben, die schlecht über die Welt und andere Menschen reden.
Studien zeigen auch: Social Media macht uns nicht glücklich(er). In erster Linie macht sie Kinder und Jugendliche einsamer. Negative Nachrichten, Fake- und Horror-News verstärken Ängste und Sorgen. Die Algorithmen stellen primär auf Emotionen und Klicks ab und unterstützen eher eine undifferenzierte Informationsverarbeitung.
TRT: Vielen Dank für das Gespräch!
Über Prof. Dr. Mike Hoffmeister
Hoffmeister lehrt seit 2003 als Professor für International Management an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfsburg. Seit seinem Schlaganfall vor 10 Jahren widmet er sich in Forschung und Lehre der Positiven Psychologie aus interkultureller Perspektive. Mit der Ostfalia und Rotary International führt er die öffentliche Gesprächsreihe „Glück und erfülltes Leben“ und Workshops für Unternehmen und Non-Profit-Organisationen durch.