Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zeigt sich „zutiefst erschüttert über die extrem hohe Zahl von Kirchenaustritten“. Sie sei Zeugnis einer „tiefgreifenden Krise, in der wir uns als katholische Kirche in Deutschland befinden“, sagt er. „Die Skandale, die wir innerkirchlich zu beklagen und in erheblichem Maße selbst zu verantworten haben, zeigen sich in der Austrittszahl als Spiegelbild“, so Bätzing. Es sei „nichts schönzureden“.
Deutliche Worte findet auch der Würzburger Bischof Franz Jung. Er sei verärgert und enttäuscht über „das problembeladene Bild, das wir als Kirche abgeben – in Deutschland, im Vatikan und in der Weltkirche“, heißt es in einer Mitteilung seines Bistums. „Es darf niemanden verwundern, dass derzeit viele Menschen der Kirche das Vertrauen entziehen und auch unserem guten Tun die Zustimmung versagen.“
Nur 4,3 Prozent besuchen regelmäßig Gottesdienst
Die katholische Kirche zählte Ende 2021 deutschlandweit nur noch 21.645.875 Mitglieder - das macht 26 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Und von denen geht lediglich ein winziger Bruchteil am Sonntag in die Kirche: Nur noch 4,3 Prozent der Katholiken besuchten 2021 regelmäßig einen Gottesdienst. Im Jahr davor waren es noch 5,9 Prozent.
Inzwischen träten auch viele Menschen aus der Kirche aus, die sich ihr eigentlich verbunden fühlten, sagt Bätzing. „Es gibt keine Selbstverständlichkeiten mehr für uns als katholische Kirche. Wir müssen uns neu erklären, erläutern, was wir tun und warum wir es machen.“ Aus Sicht der selbstberufenen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ zeigen die Zahlen, „wie schlecht es um das Vertrauen des Kirchenvolks in die Kirchenleitung bestellt ist“.
14.000 Austritte alleine in München
Ein Blick in das traditionell katholische Bayern zeigt, dass für das laufende Jahr ein weiterer Negativrekord droht: „Wir hatten so viele Kirchenaustritte wie noch nie“, sagt der Sprecher des Kreisverwaltungsreferats München, Johannes Mayer. Zwischen dem 1. Januar und dem 22. Juni dieses Jahres traten demnach allein in München 14.035 Menschen aus der Kirche aus - über alle Konfessionen hinweg. Im gleichen Zeitraum 2021 waren es 10.472 und 2019 mit 7556 noch deutlich weniger.
Die evangelische Kirche hatte ihre Mitgliederzahlen schon im März bekannt gegeben. Ende 2021 zählte sie noch 19,725 Millionen Mitglieder - ein Rückgang von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schuld daran vor allem: 280.000 Kirchenaustritte. In der evangelische Kirche sind die zentralen Anliegen der katholischen „Reformbewegungen“ im Wesentlichen schon seit längerem umgesetzt.
„Fehlende Plausibilität der Kirchenmitgliedschaft“ zeigt sich auch in EKD
Eine repräsentative Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD hat erst kürzlich die Gründe für den Austritt näher untersucht. Überraschendes Ergebnis: Die Kirchensteuer spielt kaum eine Rolle. „Der eigentliche Grund ist die fehlende Bindung an Kirche und Glauben“, sagt Studienleiterin Petra-Angela Ahrens. „Es geht bei den meisten nicht um das eingesparte Geld, es geht um die fehlende Plausibilität der Kirchenmitgliedschaft.“
Die große Mehrheit der ausgetretenen Mitglieder, ob Katholiken oder Protestanten, nennt der Studie zufolge überhaupt keinen konkreten Anlass für ihren Austritt. Sie haben sich im Laufe der Jahre einfach von der Kirche entfremdet und ziehen irgendwann den Schlussstrich.