Der frühere US-Kardinal Theodore McCarrick (91) wird laut einem Bericht der Zeitung „Boston Globe“ offiziell vor einem staatlichen Strafgericht angeklagt. McCarrick soll 1974 einen 16-Jährigen mehrmals sexuell missbraucht haben, berichtete die Zeitung am Donnerstag (Ortszeit) unter Berufung auf Gerichtsdokumente. McCarrick, 2001 bis 2006 Erzbischof von Washington, muss demnach am 3. September in Dedham in Massachusetts vor einem Richter erscheinen.
Der Missbrauch soll sich im US-Bundesstaat Massachusetts zugetragen haben. Gegen McCarrick liegen weitere Beschuldigungen und Zivilklagen von mutmaßlichen Missbrauchsopfern vor. 2018 war der Geistliche nach Berichten über Missbrauch und sexuelle Belästigung von Seminaristen aus dem Kardinalskollegium und 2019 aus dem Priesteramt entfernt worden. Im November 2020 kam ein eigener Untersuchungsbericht des Vatikans zum Schluss, Verantwortliche in der Kirche hätten seit Jahren im Raum stehende Vorwürfe gegen McCarrick falsch eingeschätzt.
Missbrauchsvorwürfe gegen Priester werden in den USA wegen abgelaufener Verjährungsfristen selten strafrechtlich geahndet. Laut „Boston Globe“ schützt die Verjährungsregel von Massachusetts McCarrick jedoch offenbar nicht, da dieser kein Einwohner des Staates sei. Der in seiner aktiven Zeit als progressiver Reformer bekannt gewordene McCarrick sei der erste Kardinal in den USA, der wegen Missbrauchs eines Minderjährigen angeklagt werde, sagte Opferanwalt Mitchell Garabedian dem Sender CNN.
Seit den 1980er Jahren treten vermehrt Personen an die Öffentlichkeit, die behaupten, Opfer des Missbrauchs durch Priester geworden zu sein. In einer von den Bischöfen in Auftrag gegebenen Studie befand die Forschungseinrichtung „John Jay College of Criminal Justice“ 2004, dass zwischen 1950 und 2002 insgesamt 4.392 katholische Priester in den USA oder vier Prozent aller dort aktiven Priester des Missbrauchs von Kindern und Teenagern unter 18 Jahren beschuldigt worden seien.
Artikelquelle: epd