Das Metaversum ist kein neues Phänomen mehr. In letzter Zeit wird häufig über Machenschaften und Möglichkeiten in dieser Parallelwelt diskutiert. Neben virtuellen Pilgerfahrten, Konzerten oder Reisen gibt es aber auch die Möglichkeit, Berichterstattungen vor Ort hautnah mitzuerleben. So war es z.B. das Ziel der Produzenten des „Project Syria“, die grausame Lebenswirklichkeit der syrischen Bevölkerung im Bürgerkrieg möglichst authentisch wiederzugeben. Nutzer hatten die Möglichkeit, mithilfe einer 3D-Brille Kriegsereignisse hautnah mitzuerleben. Man könnte meinen, dass dadurch das Gefühl der Einfühlsamkeit der Nutzer verstärkt wird.
Doch wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass sich Nutzer, die Gewalttaten häufig und wiederholt ausgeliefert sind, schneller an die Situation gewöhnen und diese dadurch normalisieren. Denn sie verlieren mit der Zeit das Gefühl der Einfühlsamkeit. Konkret könnte man sagen, dass eine Person, die jeden Tag negativen Nachrichten im Fernseher ausgeliefert ist, mit der Zeit ihre Sensibilität diesen gegenüber verlieren wird, da sich der Mensch von Natur aus an sich wiederholende Geschehnisse gewöhnt. Das Projekt, das 2014 mit ca. 300.000 Dollar finanziert wurde, hat für sehr viel Empörung gesorgt. Viele Kritiker sahen es als nicht gerade gut durchdachtes Projekt an. Denn die verringerte und teilweise im Bewusstsein überspielte Distanz von Betrachtung und Erleben wirft Probleme und Fragen auf. Diese mangelnde Distanz ist bei journalistischen Inhalten besonders kritisch.
Was ist immersiver Journalismus eigentlich?
Immersiver Journalismus ist eine Form der journalistischen Produktion, die es ermöglicht, Ereignisse oder Situationen, die in Nachrichtenberichten und Dokumentarfilmen beschrieben werden, aus erster Hand zu erleben. Durch den Einsatz von 3D-Spielen und immersiven Technologien, die ein Gefühl des „Dabeiseins“ vermitteln und die Möglichkeit bieten, sich persönlich auf eine Geschichte einzulassen, versetzt der immersive Journalismus Zuschauer direkt ins Geschehen. Durch den Zugang zu einer virtuellen Version des Schauplatzes, an dem sich die Geschichte abspielt, als Zeuge/Teilnehmer oder durch das Erleben der Perspektive einer Figur, die in der Nachricht dargestellt wird, wird dem Nutzer Zugang zum Tatort gewährt.
Tatortbesichtigung im Metaversum
Bei dem Thema immersiver Journalismus wird im Moment der Fokus auf Kriegsgebiete, Kriegsjournalismus etc. gerichtet. Viele Artikel und wissenschaftliche Arbeiten werden diesbezüglich verfasst. Anhand dieser Erkenntnis kann man davon ausgehen, dass an erster Stelle Kriegsgebiete und Tatorte, die Otto Normalverbraucher in aller Regel ohne Erlaubnis nicht betreten darf, ins Metaversum integriert werden. So wie bei „Project Syria“ werden in Zukunft Nutzer im Metaversum die Möglichkeit bekommen, Kriegsgebiete live von ihrem Wohnzimmer aus zu besichtigen. Erschreckend hierbei ist, dass während Menschen, die in diesen Kriegsgebieten Todesängste erleiden, Nutzer mit einer VR-Brille bequem aus ihrem Zuhause diese Angst zur „Selbstbefriedigung“ miterleben werden. Diese Selbstbefriedigung führt dazu, dass Menschen anderen Menschen in Not keinerlei Achtung schenken werden. Menschen werden sich mit der Zeit von den Normen und Werten, die Menschen von Unmenschen unterscheiden, entfremden. Denn Mitleidsgefühle, Sympathie, Einfühlsamkeit etc. sind Hauptmerkmale, die Menschen von Tieren unterscheiden. Doch genau diese Hauptmerkmale, die Menschen zu Menschen machen, können durch das Metaversum und genau durch den immersiven Journalismus in Gefahr gebracht werden.
Des Weiteren entfremdet sich der Mensch in einer technologisch gesteuerten Welt jeden Tag aufs Neue der Realität. Das Metaversum wird in Zukunft nicht nur parallel zum Universum existieren, sondern sogar ein Zufluchtsort der Menschen sein, die mit der Realität unzufrieden sind. Wie schon mehrmals erwähnt sind Träume, die in der Wirklichkeit sehr schwer zu verwirklichen sind, im Metaversum sehr einfach verwirklichbar. Genau diese Eigenschaft macht das Metaversum zu einem unwiderstehlichen Phänomen. Dieses unwiderstehliche Phänomen ist auch eine begehrte Alternative für die meisten Journalisten, denn sie haben nun die Möglichkeit, von ihrem Zuhause aus an einem Tatort live eine Berichterstattung durchzuführen.
Journalismus 2.0
Man kann sich nur grob vorstellen, mit welchen Kosten eine Reise in ein Kriegsgebiet für eine Journalistencrew verbunden ist. Das Metaversum ist dadurch so begehrt, weil es kostengünstiger ist als die Realität. Pandemiebedingt haben viele Firmen zum Homeoffice gewechselt und dadurch extreme Kosten eingespart, ihren Gewinn jedoch stabilisiert. Auch das Metaversum bietet den Nutzern eine kostengünstige Alternative an. In naher Zukunft werden Kriegsjournalisten anhand einer VR-Brille zur beliebigen Zeit am beliebigen Ort eine Berichterstattung live durchführen können. Genau in dem Moment, wenn der Journalist eine Berichterstattung durchführt, werden Nutzer die Möglichkeit haben, neben dem Journalisten vor Ort diese Berichterstattung live mitzuerleben. Nicht nur die Tat oder die Ereignisse werden in Zukunft live miterlebbar werden, Journalisten werden mit Nutzern am Tatort gemeinsam agieren können. Was auf den ersten Blick sehr spannend klingt, zeigt beim näheren Hinsehen, dass sich nicht nur die Einstellung der Menschen zu Ereignissen ändern wird, sondern auch deren Wahrnehmung. Nicht nur soziologische oder psychologische Aspekte müssen genauer analysiert, diskutiert und erforscht werden, auch Medienregulierungen sollten schnellstmöglich erarbeitet werden. Denn die Regulierungsgeschichte zeigt, dass in Bezug auf andere Techniken – etwa Radio, Rundfunk, aber auch im Hinblick auf die elektronische Presse und womöglich auch schon die Zeitung und den Buchdruck überhaupt – bereits in der Vergangenheit Medienwandel immer auch Anpassungen des Regulierungsrahmens zur Folge hatte. Welche Wege also kann der Gesetzgeber einschlagen, um „immersiven Journalismus“ zu regulieren?