Ditib Köln Moschee (AA)
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Am 2. April 2022 hat der Monat Ramadan begonnen. Noch bis zum 2. Mai verzichten gläubige Muslime in dieser Zeit u.a. auf das Essen und Trinken zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang und kommen zu regelmäßigen Gebeten zusammen. Auch die meisten der rund 4,7 Mio. Muslime in Deutschland folgen dieser Tradition immerhin fast 6 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung. Über die Hälfte davon (50,6 Prozent) sind türkischer Abstammung. Ein Grund mehr, dem Ramadan die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und zu evaluieren, was der Fastenmonat gerade in der heutigen Zeit bedeutet – und wie er hierzulande am besten gelingt.

Der Islam in Deutschland wächst: 1,2 Mio. zugewanderte Muslime

Allein von 2011 bis zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 wanderten rund 1,2 Mio. Muslime neu nach Deutschland ein. Für sie wie auch für die bereits seit langem in Deutschland lebenden Muslime war der Ramadan während der Corona-Krise eine besondere Herausforderung: Der Besuch von Moscheen war erschwert, teils gar nicht möglich und auch das Fastenbrechen durfte nicht in der Gruppe gefeiert werden. Für viele, insbesondere Alleinstehende, bedeutete dies, erstmals alleine oder allenfalls im kleinsten Kreis fasten und fastenbrechen zu müssen – obwohl der Ramadan in seinem Ursprung eigentlich ein Gemeinschaftsritual ist und in den Familien und Gemeinden allabendlich zelebriert wird.

Damit ist der Ramadan der 40-tägigen christlichen Fastenzeit vor Ostern sogar ziemlich ähnlich. Auch hier geht es um Enthaltsamkeit, innere Reinigung und die Besinnung auf Glauben und Werte, gefolgt vom Osterfest als religiösem Höhepunkt.

Regeln und Gebote im Ramadan

Als eines der Gebote Allahs an die Gläubigen steht der Ramadan im Koran und ist mit diesem auch historisch verknüpft: So soll der Koran im neunten Monat des islamischen Kalenders von Allah über den Propheten Mohammed zu den Menschen hinabgesandt worden sein. Die Fastenzeit richtet sich somit auch nicht nach dem christlichen Kalender – der Ramadan verschiebt sich jedes Jahr um 10 Tage und durchläuft so einmal alle Jahreszeiten.

Welche Regeln und Gebote gibt es in dieser Zeit zu beachten? Neben dem täglichen Verzicht auf Essen und Trinken zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang sollen Muslime auch in anderen Hinsichten enthaltsam sein – vom Rauchen über Intimitäten bis zum Genuss von Alkohol. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind Ritualgebete, die sich an die fünf täglichen Pflichtgebete anschließen, beispielsweise das Gebet „Tarawih“, das nach dem Nachtgebet gesprochen wird. Auch die Handkuss-Tradition bei der Begrüßung älterer Familienmitglieder durch jüngere gehört zum Ramadan. Wichtig ist zudem die ständige Reflektion eigener Gedanken, die Ablösung von negativen Gedanken und der bewusste Verzicht aufs Lügen.

Wann darf gegessen und getrunken werden?

Täglich nach Sonnenuntergang darf wieder getrunken und gegessen werden: „Iftar“, das Mahl am Abend, findet bevorzugt im Familienkreis oder in der Gemeinde statt. Die Empfehlung des Korans lautet hier: Leichte Kost ist gegenüber üppigem Festessen die bessere Wahl. Vor Morgengebet und Sonnenaufgang wird mit „Sahur“ eine weitere Mahlzeit eingenommen: Das zeitige Frühstück besteht vor allem aus Getreide, Milchprodukten und getrockneten Früchten.

Wer nimmt an Ramadan teil, wer nicht?

Grundsätzlich gelten die Regeln des Ramadans für alle Muslime – mit wenigen Ausnahmen: Kinder vor der Pubertät, Alte und Kranke sowie Schwangere müssen nicht fasten. Ebenso sind Reisende von der Fastenpflicht ausgenommen, unterliegen jedoch der Pflicht, die versäumten Fastentage nachzuholen. Ab einem Alter von 14 Jahren können Jugendliche erstmals beim Ramadan mitfasten – je nach Belastung durch Schule, Prüfungen und Sport kann dies mitunter zu gesundheitlichen Schwierigkeiten führen. Deshalb empfehlen Kinderärzte in Deutschland, dass auch über den Tag hinweg eine regelmäßige Zufuhr von Nahrung, Wasser, Tee und Fruchtschorlen sichergestellt sein sollte. Verzicht üben könnte man dagegen, so der ärztliche Konsens, bei Süßigkeiten, Smartphone und Medienkonsum.

So gelingt die Umsetzung in Deutschland

Für die Mehrheit aller gläubigen Muslime in Deutschland ist der Alltag während des Ramadans jedoch angesichts des christlichen Settings deutlich schwieriger: Anders als in muslimisch geprägten Ländern wird hier auf den Straßen und im Büro jederzeit und überall gegessen und getrunken. Deshalb spielen die insgesamt 2.350 Moscheegemeinden in Deutschland bei der erfolgreichen Durchführung des Ramadans eine umso wichtigere Rolle: Sie fördern als „Peergroup“ die Gemeinschaft mit anderen fastenden Muslimen und sind gerade für alleinlebende Gläubige ein Ort der regelmäßigen sozialen Einkehr.

Hintergrund: Spiritualität und Glauben stärken

Nach Auffassung vieler Imame geht es im Ramadan um die Besinnung auf den eigenen Glauben, die Reflektion über das eigene Leben und darum, sich um andere zu kümmern, zu spenden und Gutes zu tun. Tatsachen wie die, dass weltweit über 800 Mio. Menschen an Hunger und Durst leiden, teils keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, sind Aspekte, die während des Ramadans in den Fokus und ins Bewusstsein rücken dürfen und sollen.

Der Spiritualität hinter dem Fasten kommt ein wichtiger Stellenwert zu. Das Fasten wird als „große Schulung“ der Seele begriffen, die den Menschen befähigt, ein gefestigter Diener Allahs zu werden, Geduld zu entwickeln, gegen seine natürlichen Triebe angehen und diese besiegen zu können. Die grundlegende Idee dahinter: Wer es schafft, einen ganzen der zwölf Monate auf all die gewohnten Dinge zu verzichten, erlernt die Fähigkeit, sich auch im Alltag an die Gebote Allahs zu halten und „rechtschaffen“ zu sein.

Wie werden Kinder an die Fastenzeit herangeführt?

Die meisten muslimischen Familien in Deutschland führen ihre Kinder über den gelebten Glauben und ihre eigene Vorbildfunktion an die Fastenzeit heran. Im Idealfall reift so der Wunsch heran, ebenfalls am Ramadan teilzunehmen und dazuzugehören. Für jüngere Kinder empfiehlt sich der Einstieg schrittweise, zum Beispiel indem an einzelnen Tagen oder nur am Wochenende gefastet wird. Einige Eltern schreiben auch gemeinsam mit ihren Kindern Bittgebete auf, die sie zum Ramadan gemeinsam vorlesen. Auch gemeinsames Basteln und Vorkochen, das Schmücken der Wohnung und eine allgemein feierliche Atmosphäre können die Freude und Teilhabe am Ramadan bei den Kleinsten stärken. Wichtig ist es, Kinder nicht zur Teilnahme zu zwingen, sondern positiv zu motivieren – damit der Ramadan als freudiges Ereignis im Gedächtnis bleibt.

Das Fastenbrechen – eine Tradition mit Gemeinschaftssinn

Der Ramadan endet schließlich mit dem Fest des Fastenbrechens, das auch „Zuckerfest“ genannt wird und dieses Jahr auf den 2. Mai fällt. Dieses Fest ist gleich nach dem Opferfest der bedeutsamste Feiertag im Islam und dauert ganze drei Tage lang. Geschenke für die Kinder und gemeinsames Essen in der Gemeinde gehören hier unbedingt mit dazu. 2022 dürfen die Moscheen nun wieder ihre Türen öffnen und die Gläubigen mit ihren Familien empfangen.