Der Journalist Ali Abunimah im Interview mit TRT Deutsch. (TRT Deutsch)
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Ali Abunimah ist Journalist, Autor und Mitbegründer der in Chicago (USA) ansässigen Online-Publikation „Electronic Intifada“, die sich mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt aus der Sicht der Palästinenser befasst.


TRT Deutsch hat mit Abunimah über sein jüngstes Interview mit der Deutschen Welle gesprochen. Diese hatte ihn dazu eingeladen, den Beitrag auch online gestellt, diesen später jedoch wieder entfernt und sich dafür entschuldigt.

Die DW wirft Ihnen antisemitische und den Terrorismus rechtfertigende Aussagen vor. Trifft das zu?

Diese Anschuldigungen sind völlig falsch, verleumderisch und diffamierend. Ich habe der Deutschen Welle geschrieben und sie gebeten, mir eine Abschrift meiner Worte zu schicken, aus der genau hervorgeht, welche davon antisemitisch sind oder welche den Terrorismus verteidigen. Ich habe keine Antwort auf diese Bitte erhalten, aber ich habe vor, die Angelegenheit weiterzuverfolgen.

Im DW-Interview haben Sie die Israel-Politik der Bundesrepublik kritisiert. Warum?

Das, worauf ich in dem Interview hinweisen wollte, ist, dass Deutschland eine historische Verantwortung für die Verbrechen trägt, die Israel heute gegen das palästinensische Volk begeht. Deutschland behauptet zwar, dass es Staatsräson ist, das israelische Regime und den Zionismus zu unterstützen. Sie denken, dass dies die Verbrechen Deutschlands gegen das jüdische Volk reinwäscht, den Völkermord am jüdischen Volk in Europa, der von der deutschen Regierung während des Zweiten Weltkriegs begangen wurde, aber diese Idee basiert auf einer falschen Gleichsetzung.

Wir bestehen darauf, Israel nicht mit dem jüdischen Volk gleichzusetzen. Aber der deutsche Staat besteht darauf, dass es keinen Unterschied zwischen dem jüdischen Volk auf der einen Seite und dem israelischen Staat auf der anderen Seite gibt. In Deutschland gibt es den Mythos, der von allen Politikern in allen Medien wiederholt wird, dass Deutschland mit seiner Nazi-Vergangenheit abgeschlossen und dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg einen Prozess der Entnazifizierung durchlaufen hat. Wir wissen aus einer Studie, die in den letzten Jahren durchgeführt wurde: Mehr als 70 Prozent der Beamten im Justizministerium in Westdeutschland in den 1950er Jahren waren ehemalige Nazis. Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland von 1966 bis 1969, Kurt Kiesinger, war ein ehemaliger Nazi und ein Assistent von Ribbentrop.

Anstatt sich tatsächlich mit seiner Nazi-Vergangenheit auseinanderzusetzen, versucht Deutschland, die Aufmerksamkeit von seinen Verbrechen abzulenken, indem es Israel unterstützt. Aber es sind nicht die Deutschen, die den Preis dafür zahlen, sondern die palästinensischen Kinder in Gaza.

Ihr Interview wurde von DW gelöscht. Wie bewerten Sie das vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit? Das ist ein klarer Fall von Medienzensur. Da die Deutsche Welle von der deutschen Regierung finanziert wird, können wir das als Zensur von Regierungsmedien bezeichnen, und das ist völlig unvereinbar mit dem Selbstbild, das Deutschland von sich gibt, dass es eine Demokratie ist. Wir sehen keine Redefreiheit in Deutschland, wenn es um die Palästina-Frage geht. Wir sahen auch, wie ein Dokument kursierte, das angeblich intern und von der Deutschen Welle nach meinem Interview herausgegeben wurde. Dieses stellt Regeln dafür auf, was gesagt und was nicht gesagt werden darf. Laut diesem Schreiben, wenn es tatsächlich echt ist, aber ich habe es nicht von der Deutschen Welle dementiert gesehen, ist es nicht erlaubt, das Wort Apartheid zu benutzen oder über Kolonialismus zu diskutieren. Zuletzt geriet auch die muslimische Minderheit in Deutschland vor dem Hintergrund der Eskalationen im Nahost-Konflikt in die Kritik. Wie bewerten Sie diesen Diskurs? Wir sehen in Deutschland viele falsche Anschuldigungen, die behaupten, dass die muslimische Gemeinschaft in Deutschland oder türkischstämmige Deutsche für Antisemitismus und für Angriffe auf jüdische Menschen verantwortlich sind, während die Realität, die vor einigen Monaten in den Statistiken der deutschen Polizei enthüllt wurde, ist, dass die überwiegende Mehrheit von 94 Prozent der antisemitischen Vorfälle und Verbrechen in Deutschland von Rechtsextremen begangen werden. Aber es gibt einen falschen Versuch, Muslime und türkischstämmige Menschen in Deutschland zu diffamieren, weil viele von ihnen wissen, was mit den Palästinensern geschieht. Sie sympathisieren mit den Palästinensern und sie wollen darüber sprechen, weshalb diese Deformationskampagne darauf abzielt, sie zum Schweigen zu bringen. Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch