Die Lage im Norden Gazas hat sich nach Einschätzung der norwegischen Hilfsorganisation NRC weiter verschlimmert. Die Situation dort gleiche einem „dystopischen Horrorfilm“, sagte der NRC-Chef Jan Egeland der „Zeit Online“ in einem am Samstag veröffentlichten Interview. Bei einem Besuch sei er „durch nicht enden wollende Gebiete mit komplett zerstörten Häusern gefahren“. Dennoch harrten dort immer noch Menschen aus.
Die von den USA an Israel gesetzte Frist zur Verbesserung der humanitären Lage in Gaza ist am Dienstag abgelaufen. Die US-Regierung hatte zuvor mit einer Kürzung der Militärhilfen gedroht. Entgegen übereinstimmender Berichte von internationalen Hilfsorganisation sprachen die USA zuletzt von Fortschritten Israels bei der humanitären Hilfe.
Hilfsorganisationen sehen keine Besserung
Insgesamt acht Organisationen hätten kurz vor Ablauf des US-Ultimatums in einem gemeinsamen Bericht bestätigt, dass Israel die geforderten Maßnahmen nicht im Ansatz erfüllt habe, sagte Egeland. Es gehe dabei etwa um die geforderten 350 Lkws pro Tag mit Hilfslieferungen. Tatsächlich seien in den 30 Tagen vor Ende der US-Frist durchschnittlich 42 Lkws durchgekommen, an einem Tag gar nicht mehr als sechs.
Hilfslieferungen würden zudem oft geplündert. Er habe das selbst am Grenzübergang Kerem Schalom erlebt, sagte Egeland. „Vielleicht 100 Männer standen dort mit Stöcken und warteten darauf, die uns folgenden Lastwagen anzuhalten und aufzuspringen.“ Schuld daran seien auch die israelischen Behörden.
Egeland warnte darüber hinaus vor den Folgen des UNRWA-Verbots in Israel, das ab Januar 2025 in Kraft treten soll. Das UN-Palästinenserhilfswerk sei „enorm wichtig“ und ermögliche anderen Hilfsorganisation Teile ihrer Arbeit. Ohne die UNRWA werde „vieles schlichtweg zusammenbrechen“.
Israelischer Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober 2023 einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bislang Zehntausende Zivilisten getötet.
Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Doch auch dort sind sie israelischen Angriffen ausgesetzt. Zudem herrscht eine akute Hungerkrise, die Hungertote fordert.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 43.800 Menschen getötet und mehr als 103.500 verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder.