Kunden von Handwerkern müssen sich auch wegen der gestiegenen Energiekosten auf höhere Preise einstellen. Zunehmend Auswirkungen könnte auch der Mangel an Fachkräften haben, sagte der neue Handwerkspräsident Jörg Dittrich der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Dieser werde in den kommenden Jahren in einen kritischen Bereich gelangen, wenn die Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. „Die Gefahr besteht, dass dann im Handwerk bestimmte Dienstleistungen nicht mehr angeboten werden können. Wir müssen unbedingt und durch gemeinsame Kraftanstrengung von Politik und Handwerk verhindern, dass diese Situation eintritt.“
Der 53-Jährige ist seit Mitte Dezember neuer Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Er führt in Dresden einen Dachdeckerbetrieb in vierter Generation und ist der erste Ostdeutsche an der Spitze eines der vier Spitzenverbände der Wirtschaft.
„Die Handwerksleistung steht unter einem großem Preisdruck“, sagte er. Löhne, Energiepreise und Sozialversicherungsbeiträge seien gestiegen. Auch die gestiegenen Materialpreise trügen zu einem großen Kostenschub bei. „Die Handwerksleistung wird teurer, weil viele Dinge teurer geworden sind und nicht, weil die Betriebe darauf Lust haben“, sagte Dittrich. „Mich treibt die Sorge um, dass die Handwerksleistung für Kundinnen und Kunden unbezahlbar wird. Das darf nicht sein.“
Anstieg von Schwarzarbeit befürchtet
Der Handwerkspräsident sagte, er halte die Sorge für berechtigt, dass wegen steigender Preise die Schwarzarbeit zunehme. „Deswegen muss die Arbeitsleistung entlastet werden, weil der Unterschied zwischen dem Nettoverdienst und dem Stundenverrechnungssatz mit Mehrwertsteuer immer größer wird.“ Das Handwerk sei lohn- und personalintensiv. Deshalb erwarte er von der Bundesregierung, den Faktor Arbeit zu entlasten und die sozialen Sicherungssysteme und ihre Finanzierung grundlegend zukunftsfest und generationengerecht zu reformieren, sagte Dittrich. Die Wettbewerbsfähigkeit der lohnintensiven Betriebe hänge davon ab, dass die Lohnzusatzkosten nicht aus dem Ruder liefen. „Genau das passiert aber gerade.“
An allererster Stelle für das deutsche Handwerk stehe die Fachkräftesicherung, sagte Dittrich. „Das überlagert alle anderen Themen, weil davon letztlich abhängt, ob wir die großen Transformationsthemen, etwa beim Klimaschutz, überhaupt zu stemmen in der Lage sein werden.“
Handwerkberufe komplexer geworden
Die Berufe im Handwerk seien anspruchsvoller, die Produkte und Dienstleistungen deutlich komplexer geworden. „An Berufen wie beispielsweise dem des Elektronikers für Gebäudesystemintegration kann man gut erkennen, dass es im Handwerk wahrlich nicht um Helfertätigkeiten oder Schubkarre fahren geht. Wir brauchen vielmehr extrem gute Leute, die schon mit guten Grundkenntnissen und -fertigkeiten aus der Schule kommen, und die sich dann weiterentwickeln können.“ Das bedeute aber nicht, dass jeder Abitur haben müsse, der im Handwerk arbeitet. Das Handwerk hatte zuletzt berichtet, viele Betriebe suchten händeringend nach Azubis.
Dittrich sagte weiter: „Die Anzahl der Schulabgänger geht zurück und dadurch erhöht sich nicht nur im Handwerk, sondern in allen Wirtschaftsbereichen der Druck, auch denen Chancen zu geben, die bisher eher weniger eine Chance hatten.“ Menschen mit keinen oder schlechten Schulabschlüssen müssten wo immer möglich in eine Ausbildung gebracht werden. Es müssten noch mehr Frauen in Erwerbstätigkeit gebracht werden und mehr Langzeitarbeitslose befähigt werden, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
„Bildungswende“ notwendig
Notwendig sei außerdem eine „Bildungswende“ hin zu einer Wertschätzung der beruflichen Bildung, die ihrer zentralen Bedeutung entspreche. „Akademiker wie Berufspraktiker sind gleichermaßen wichtig für die Modernisierung und die Transformation unseres Landes.“ So müssten berufliche und akademische Bildung finanziell gleichwertig behandelt werden.
Ein wichtiger Baustein für eine Lösung des Fachkräfteproblems werde Zuwanderung aus dem Ausland sein. Doch stärker entscheidend sei aus seiner Sicht die Innovationskraft, sagte Dittrich. „Wenn es zu wenige Menschen gibt: Wieso nutzen wir nicht die Innovationskraft, die im Handwerk selbst steckt, und machen uns die technischen Möglichkeiten noch mehr zunutze? Wir entwickeln zum Beispiel gerade in Kooperation mit einer Hochschule einen Dachroboter.“
Dittrich räumte aber ein: „Sicherlich sind im Handwerk die Substitutionsmöglichkeiten durch Technologie geringer als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen.“ Das sei auch gut so, denn an ganz vielen Stellen werde auch die beste Technologie das individuelle handwerkliche Können nicht ersetzen können. „Aber wir können durch stärkeren Einsatz von Technik Arbeiten körperlich erleichtern, wie beispielsweise Fliesen in die fünfte Etage eines Mietshauses zu tragen.“
dpa
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