Bundesgerichtshof / Photo: DPA (dpa)
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Klimaschutz kommt bei vielen Verbrauchern gut an - weswegen Unternehmen gern damit werben. Doch wann ist das Bewerben eines Produkts als klimaneutral zulässig? Darüber urteilt am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Zwei Monate nach der Verhandlung verkündet er seine Entscheidung über Werbung des Emmericher Süßwarenherstellers Katjes. (Az. I ZR 98/23)

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs war vor Gericht gezogen. Sie störte sich an einer Katjes-Anzeige vom Februar 2021 in der „Lebensmittel Zeitung“, einer Fachzeitung der Branche. Dort hieß es: „Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral.“ Auf der abgebildeten Fruchtgummi-Packung war das Logo „klimaneutral” abgebildet. Zudem war die URL der Website des Partnerunternehmens ClimatePartner zu sehen, über einen QR-Code war die Seite direkt zu erreichen.

Diese Anzeige hält die Wettbewerbszentrale für irreführend. Denn bei der Produktion der Fruchtgummis entstehen durchaus Treibhausgasemissionen - allerdings kompensiert Katjes das mit der Unterstützung von Klimaschutzprojekten. Der Hersteller liefere in der Anzeige aber nicht genügend Informationen, kritisierte die Wettbewerbszentrale. In der Werbung müsse darauf hingewiesen werden, dass Klimaneutralität nur durch solche Kompensationszahlungen erreicht werde.

Katjes argumentierte in der Verhandlung im April damit, dass sich die Werbung ausschließlich an Fachkreise richte, also an gewerbliche Kunden. Bei ihnen sei davon auszugehen, dass sie Fachwissen besäßen. Sie hätten demnach keinen so hohen Informationsbedarf wie einzelne Verbraucher. Außerdem verweist der Süßwarenhersteller auf die angegebene Internetseite des Zertifizierungspartners. Dort werde ausführlich darüber informiert, wie die Klimaneutralität erreicht werde.

Die Vorinstanzen, das Landgericht Kleve und in der Berufung das Oberlandesgericht Düsseldorf, hatten 2022 und 2023 Katjes Recht gegeben und die Werbung erlaubt. „Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff 'klimaneutral' im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (zum Beispiel Zertifikatehandel) erreicht werden kann“, erklärte dazu das Oberlandesgericht.

Der Verbraucher wisse nämlich bereits, dass auch Waren und Dienstleistungen wie etwa Flugreisen als klimaneutral beworben würden, die nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen möglich sei. Das Oberlandesgericht betonte, dass es durchaus eine wichtige Information sei, auf welche Weise die Klimaneutralität erreicht werde. Katjes informiere aber ausreichend.

Ein anderes Argument der Wettbewerbszentrale spielte bei der Düsseldorfer Entscheidung keine Rolle. Die Wettbewerbszentrale hatte angegeben, dass die Kompensationszahlungen nicht ausreichten. Das habe sie aber nicht belegt, erklärte das Oberlandesgericht.

Das unterscheidet den Fall von einem anderen Urteil, mit dem das Landgericht Karlsruhe Ende Juli 2023 gegen die Drogeriemarktkette dm entschied. Diese dürfe eine Sonnenmilch und ein Duschgel nicht als klimaneutral bewerben. Ein wichtiger Grund für die Entscheidung war, dass das Landgericht die Kompensation von Treibhausgasen durch bestimmte Waldprojekte für nicht ausreichend hielt. Dm hatte sich schon zuvor entschieden, das Label nicht mehr zu verwenden, und verzichtete darauf, in Berufung zu gehen.

Erst im Januar hatte das Europaparlament ein Gesetz zum sogenannten Greenwashing beschlossen. Demnach sollen Slogans wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ künftig nicht mehr ohne belastbare Beweise auf Produkte gedruckt werden.

Gerade erst einigten sich die Umweltministerinnen und -minister der Europäischen Union auf einen Entwurf für strengere Regeln für Umweltkennzeichen. Sie stimmten für ein Gesetz, nach dem Nachhaltigkeitsbehauptungen zu Produkten künftig wissenschaftlich belegt sein müssen. Das Gesetz geht nun in die Verhandlungen mit dem Europaparlament.

Diese dürften im Herbst beginnen. Die höchstrichterliche Entscheidung zur Katjes-Werbung fällt also noch davor.

AFP