Pflegebedürftige sind in der Corona-Notlage schutzlos.  (dpa)
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Im Zusammenhang mit der Pflege und Betreuung von Heimbewohnern während der Corona-Krise ermittelt die Staatsanwaltschaft in mehreren Bundesländern. Die Bundesregierung setzte noch vor Ostern die strengen Vorschriften für Heime vorrübergehend außer Kraft. Heime bestimmen seitdem selbst, mit welchem Personalumfang sie die jeweilige Einrichtung betreiben wollen.

Laut einem Bericht der „Welt“ hat dieser Umstand zu erheblichen Mängeln bei der Versorgung der Senioren geführt. So wird in Oldenburg, Braunschweig, Bonn und Osnabrück inzwischen wegen fahrlässiger Tötung und Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz strafrechtlich ermittelt.

Es geht um den Vorwurf, Infektionsketten in Heimen nicht verhindert zu haben. Auch der Sorgfaltspflicht seien die Einrichtungen nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen. Außerdem stehen die Heimleitungen aufgrund unkontrollierter oder willkürlicher Isolation von Senioren am Pranger.

Das Heimpersonal soll die Pflegebedürftigen sogar mit Medikamenten vollgepumpt und ruhiggestellt haben - das berichten zumindest Angehörige. Keinerlei Besuche während der Corona-Krise bedeutet auch keinerlei Kontrolle über den Umgang und die Versorgung im Pflegeheim.

Dabei sind Menschen in Heimen von den Umständen während der Pandemie besonders hart betroffen. Wegen den Corona-Maßnahmen vereinsamen Bewohner von Pflegeeinrichtungen zunehmend und fühlen sich im Stich gelassen.

Einsamkeit nimmt ihnen den Lebensmut

In einem Interview mit der „Welt“ berichtet die Theologin Margot Käßmann von Angehörigen, die um das Wohl der Familienmitglieder in Heimen besorgt sind. Die verzweifelten Familien gingen davon aus, dass ihre Angehörigen in den Pflegeheimen frühzeitig sterben könnten: „Nicht an Covid-19, sondern an der Isolation, weil die Einsamkeit ihnen den Lebensmut nimmt.“


In Deutschland gibt es 14.000 Pflegeheime mit rund 800.000 Bewohnern. Heimbewohner gehören zur Risikogruppe der Corona-Pandemie und sind den Maßnahmen komplett ausgeliefert. Hat das Virus erstmal Einzug in die Einrichtung erlangt, infiziert sich ein Bewohner nach dem anderem – oft verlieren sie den Kampf gegen das Coronavirus.

Nach Angaben der „Welt“ schreiten die Ermittlungen in diesem sensiblen Bereich nur schleppend voran. Oft handelt es sich bei den Bewohnern um Demenzkranke – deren Aussagen nur bedingt brauchbar sind. Die Pfleger wiederum würden die Aussage verweigern – aus Furcht, ihren Job zu verlieren oder selbst beschuldigt zu werden.

Zwar können Ermittler zur Not auf die Pflegedokumentation zurückgreifen, doch die sei auch kein Indiz. „Wenn jemand etwas verschleiern will, helfen Pflegedokumente im Zweifel nichts. Pflegemissstände sind aus ihnen nur schwer ablesbar – und solche Papiere können manipuliert werden“, so die Staatsanwälte.

Heimleiter: In der Krisensituation das getan was nötig war

Der Bundesverband der privaten Heimbetreiber (BPA) macht die Länder für diese Misere verantwortlich. Heime seien deshalb ins Visier der Justiz geraten, weil seitens der Länder Verhaltensweisen und Maßstäbe nur „zögerlich” definiert wurden. Heimleiter hätten dann in der Krisensituation das getan, was nötig war. Inzwischen beschäftigt sich auch die Politik mit dem Thema.

So fordert in einem Interview mit der „Welt“ die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, „bundesweit möglichst einheitliche Kriterien“. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz setzt sich für die Ausarbeitung von bundesweiten Maßstäben ein. Laut Robert-Koch-Institut ist fast jeder dritte Corona-Tote im Pflegeheim gestorben – also mindestens 1500 Menschen.

Die Lage in den Heimen sei „grausam“, mahnte auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Vergessen wir nie diese Menschen und die zeitweilige Isolation, in der sie leben müssen“, sagte Merkel in ihrer Regierungsansprache am Donnerstag.

TRT Deutsch