Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen - AfD / Photo: DPA (dpa)
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Die Ergebnisse der im Juni abgehaltenen Europawahlen deuteten darauf hin, dass sowohl rechte als auch linke populistische Parteien in Europa an Stärke gewinnen würden. Jetzt erleben wir die ersten Auswirkungen dieser Vorhersagen. Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, die am Wochenende stattfanden, endeten genau so, wie es Experten und Umfragen vorausgesagt hatten: In beiden Bundesländern entfielen über 40 Prozent der Stimmen auf populistische Parteien, die rechtsextreme AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf der linken Seite. Die Wähler haben damit dem aufstrebenden Populismustrend in Europa auch in Deutschland eine deutliche Unterstützung gegeben. In der Nachkriegszeit hat die extreme Rechte in Deutschland zum ersten Mal eine Landtagswahl gewonnen. Die AfD wurde in Thüringen zur stärksten Partei und steigerte ihren Stimmenanteil im Vergleich zu 2019 um 9,4 Prozent. Obwohl die AfD derzeit kaum Chancen hat, einen Koalitionspartner zu finden und eine Regierung zu bilden, sind diese Wahlergebnisse bedeutende Zeichen für die Zukunft.

AfD: Auf dem Weg zur alleinigen Regierungsbildung?

Sollte sich der Trend fortsetzen, könnte die AfD in naher Zukunft möglicherweise keine Koalitionspartner mehr benötigen und die Mehrheit zur Bildung einer Alleinregierung erreichen. Die etablierten Parteien schließen die AfD auf sowohl Bundes- als auch Landesebene aus Koalitionen aus, doch die Partei gewinnt kontinuierlich an Unterstützung. Diese Entwicklung könnte eines Tages in eine Alleinregierung münden, da die Wahlergebnisse zeigen, dass die Menschen die etablierten Parteien satthaben und nach alternativen Ansätzen und Politiken suchen. Ein weiterer Indikator hierfür ist nicht nur der Aufstieg der AfD, sondern auch die Tatsache, dass das BSW in den ersten Wahlen, an denen es teilnahm, die 10-%-Marke überschritten hat. Die Menschen verlangen nach neuen Gesichtern, neuen Stimmen und neuen Politiken.

Sorge der Wirtschaft: Populismus und Fachkräftemangel

Der Aufstieg der extremen Rechten bereitet vor allem Arbeitgebern und Industriellen Sorgen. Deutschland ist in hohem Maße auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, während das zentrale Argument der rechtsextremen AfD die Ablehnung von Migration ist. Eine aktuelle Studie des Ifo-Instituts zeigt, dass Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten haben, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Viele Firmen versuchen, dieses Problem zu lösen, indem sie ihre älteren Mitarbeiter länger beschäftigen. Unternehmen im Bildungssektor berichten zudem von einem Rückgang der Bewerbungen und einem sinkenden Qualifikationsniveau der Kandidaten. Der demografische Wandel wird als eine der Hauptursachen für eine mögliche wirtschaftliche Stagnation in Deutschland angesehen. Während die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften weiter steigt, wird diese Lücke größtenteils durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte geschlossen. Doch in dieser Frage herrscht in Deutschland keine einheitliche Haltung: Einerseits gibt es Kampagnen, um ausländische Arbeitskräfte anzuziehen und das Wirtschaftswachstum zu sichern. Andererseits gewinnen rechtsextreme Bewegungen, die die Präsenz von Ausländern im Land ablehnen, zunehmend an Einfluss. Dies erschwert es den ausländischen Arbeitskräften, sich in Deutschland sicher zu fühlen, und treibt sie stattdessen in Länder wie die USA oder Kanada.

Ökonomische Konsequenzen des AfD-Aufstiegs

DIW-Präsident Marcel Fratzscher äußerte sich zu möglichen wirtschaftlichen Folgen des Aufstiegs der AfD. „Vor allem die AfD steht für eine extrem neoliberale Wirtschaftspolitik, für Protektionismus und eine Abschottung von Europa, für weniger Zuwanderung von Fachkräften und eine geringere Offenheit und Vielfalt“. Seiner Meinung nach könnten junge, gut qualifizierte und hochmotivierte Bürgerinnen und Bürger die Bundesländer verlassen und dorthin ziehen, wo sie mehr Offenheit und Wertschätzung erfahren. Diese Entwicklungen zeigen, dass die zunehmende Popularität der AfD nicht nur politische, sondern auch schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte.

Neue Strategie der AfD: Wähler mit Migrationshintergrund ansprechen?

Interessanterweise sucht die AfD einerseits die Konfrontation mit Ausländern, während sie andererseits versucht, Stimmen von Migranten zu gewinnen. Bei den Europawahlen in diesem Jahr sorgte der Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, mit der Aussage „Die Türken in Deutschland sollten AfD wählen“ für Aufsehen. Zudem erklärte der Parteivorsitzende Tino Chrupalla: „Auch diese Menschen mit Migrationshintergrund gehören zu Deutschland. Sie gehören auch zu unserer Partei. Wir können nur gemeinsam Wahlen gewinnen.“ Diese Aussagen deuten auf einen neuen Ansatz in der AfD-Politik hin und zeigen, dass sich die Ausrichtung der Partei weiterentwickelt. Ein wichtiger Teil der Wählerschaft in Deutschland hat heute einen Migrationshintergrund, und die AfD ist sich bewusst, dass sie ohne die Unterstützung dieser Wähler nicht an die Macht kommen kann. Ob diese Strategie jedoch erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. In naher Zukunft könnte die AfD jedoch durchaus Migranten als Kandidaten aufstellen, da auch diese Wähler zunehmend unzufrieden mit den etablierten Parteien sind.

Andererseits sollte man die integrativen und positiven Politiken der aktuellen Regierung in Deutschland gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund anerkennen und würdigen. Das im Juni in Kraft getretene neue Gesetz gewährt insbesondere Türken das Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft und beschleunigt das Einbürgerungsverfahren. Die zuvor erforderliche Aufenthaltsdauer von acht Jahren wurde auf fünf verkürzt. Solche Maßnahmen schaffen mehr Zufriedenheit und Vertrauen unter den Migranten und könnten die Loyalität zu den etablierten Parteien stärken.

Doch sind diese Maßnahmen ausreichend? So weit die Schritte der etablierten Parteien zugunsten der Migranten auch gehen mögen, bleibt immer das Potenzial, dass Parteien wie die AfD diese Lücken zu ihrem Vorteil nutzen. Daher könnte die neue Strategie der AfD, Migranten gezielt anzusprechen, insbesondere wenn die etablierten Parteien ihre Versprechen nicht einhalten oder inkonsistent sind, die politischen Kräfteverhältnisse in Zukunft weiter verschieben.

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