Vor der in Katar ausgerichteten FIFA-Weltmeisterschaft 2022 riefen europäische Länder aufgrund von Menschenrechtsverletzungen zum Boykott auf. Besonders bei Bundesligaspielen fielen Plakate mit der Aufschrift „BoykottKatar2022“ auf. Diese Boykottaufrufe basierten auf „Menschenrechtsverletzungen“ in Katar. Die Kampagnen thematisierten die Rechte von Frauen, der LGBT-Gemeinschaft und Gastarbeitern sowie Demokratie und die Umweltauswirkungen von klimatisierten Stadien. Insbesondere wurde behauptet, seit Vergabe der Weltmeisterschaft 2010 seien 6500 Arbeiter gestorben und in Katar herrsche eine weit verbreitete Ausbeutung von Gastarbeitern und ein Mangel an Arbeitsreformen.
Dagegen behauptete Katars Außenminister, Scheich Mohammed Bin Abdulrahman Al-Thani, sein Land sei seit der Vergabe der Weltmeisterschaft vor 12 Jahren einer „systematischen Kampagne“ ausgesetzt. Thani sagte: „Es ist ironisch, dass Länder in Europa, die sich selbst als liberale Demokratien bezeichnen, diesen Ton anschlagen. Es klingt sehr arrogant und rassistisch.“
Eine bedeutende Antwort auf die Kritik an Katar kam auch von FIFA-Präsident Gianni Infantino. Er beschuldigte den Westen der Doppelmoral in Bezug auf Katar. Zu den Arbeitsrechten in Katar sagte Infantino: „Ich bin Europäer. Bevor wir Moralpredigten halten, sollten wir uns für das, was wir in den letzten 3000 Jahren weltweit getan haben, 3000 Jahre lang entschuldigen. Wenn Europa wirklich das Schicksal dieser Menschen am Herzen liegt, könnte es legale Wege schaffen, damit einige dieser Arbeiter nach Europa kommen und dort arbeiten können. Es könnte ihnen eine Zukunft und Hoffnung geben.“
Hinzu kommt, dass die deutsche Nationalmannschaft beim Mannschaftsfoto die Spieler jeweils ihre Hand vor den Mund hielten, um gegen die FIFA zu protestieren, die ihnen das Tragen einer 'One Love'-Armbinde untersagte. Deutschland fiel jedoch nach diesem Protest bereits in der Gruppenhase aus und wurde dafür in der internationalen Öffentlichkeit verspottet.
Widersprüche des Westens
Bis zur FIFA-Weltmeisterschaft 2022 waren solche Themen wie Demokratie, Menschenrechte, Arbeitsrechte oder LGBT-Rechte bei keinem anderen Gastgeberland der Weltmeisterschaft diskutiert worden. Warum wurden diese Themen dann im Zusammenhang mit Katar aufgeworfen? Das eigentliche Problem war, dass zum ersten Mal ein muslimisches Land Gastgeber der Weltmeisterschaft war.
Was passiert heute, während in Deutschland die Europameisterschaft stattfindet, in anderen Teilen der Welt? Zum Beispiel die Ereignisse in Palästina: Verdienen die 40.000 Todesopfer dort nicht genauso viel Aufmerksamkeit wie die Arbeitsrechte in Katar?
Seit dem 7. Oktober wurden in Palästina über 40.000 Menschen durch israelische Angriffe getötet. Am 6. Mai 2024 verurteilten UN-Experten in einer Erklärung die seit sieben Monaten andauernden systematischen Gewaltangriffe auf Palästinenser in Gaza, die hauptsächlich Frauen und Kinder betrafen, mit folgenden Worten: „Wir sind entsetzt über die Details, die aus den kürzlich entdeckten Massengräbern im Gazastreifen ans Licht kommen. Über 390 Leichen wurden in den Nasser- und Al-Shifa-Krankenhäusern entdeckt, darunter Frauen und Kinder, von denen viele Berichten zufolge Anzeichen von Folter und standrechtlichen Hinrichtungen aufweisen und die möglicherweise auch Fälle von lebendig Begrabenen umfassen.“
Selbst die von den Vereinten Nationen scharf verurteilten Angriffe Israels in Palästina werden bei der Europameisterschaft in Deutschland nicht thematisiert. Dies zeigt, dass die Kritik des Westens an Katar nicht aufrichtig ist. Die Kritik an Katar und das gleichzeitige Ignorieren der Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land und die Situation in Palästina offenbaren eine ernsthafte Heuchelei.
Die Haltung des Westens gegenüber Palästina ist eines der deutlichsten Beispiele dafür, wie man andere kritisiert, während man die eigenen historischen und gegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen ignoriert. Über die Menschenrechtsverletzungen hinaus wird das grundlegendste Recht, das Recht auf Leben, Frauen, Kindern, Älteren und Zivilisten täglich genommen, Flüchtlingslager werden bombardiert. Die seit neun Monaten andauernden israelischen Angriffe auf den Gazastreifen sind ebenso wichtig und dringlich wie die Diskussionen über Arbeitsrechte in Katar. Doch das Ausbleiben einer angemessenen Berichterstattung über die palästinensischen Themen in den westlichen Medien, insbesondere in Deutschland, wo das Turnier stattfindet, zeigt die Inkonsistenzen des Westens in Bezug auf Menschenrechte.
Politik, Sport und doppelte Standards des Westens
Die Boykottaufrufe gegen die Weltmeisterschaft in Katar zeigen, wie der Westen Menschenrechtsfragen instrumentalisiert, wenn es seinen eigenen Interessen dient. Eine wirklich aufrichtige Menschenrechtsverteidigung erfordert Konsistenz überall und unter allen Bedingungen, unabhängig von Land, Religion, Sprache oder Rasse. Im Vergleich zu den einfachen Kritiken an Katar wird das Ignorieren des menschlichen Dramas in Palästina zur Hinterfragung der moralischen Haltung des Westens führen.
Es ist von großer Bedeutung, auf die heuchlerische Haltung des Westens gegenüber Katar und Palästina aufmerksam zu machen, um Gerechtigkeit und Menschenrechte zu verteidigen. Viele Menschen argumentieren, Sport und Politik sollten getrennt bleiben und das Thema Palästina sollte bei der Europameisterschaft daher nicht angesprochen werden. Aber als es um den Krieg zwischen der Ukraine und Russland ging, wurden in den Fußballstadien mehrfach Solidaritätsbekundungen für die Ukraine zugelassen.
Eine echte Menschenrechtsverteidigung sollte nicht nur in bestimmten geografischen Gebieten, sondern weltweit gleichermaßen angewendet werden. Das Ignorieren der Situation in Palästina ist ein bedeutendes Beispiel dafür, wie der Westen seine Aufrichtigkeit in Menschenrechtsfragen in Frage stellt. Daher sollte das Aufdecken der Inkonsistenzen und der Doppelmoral des Westens Teil des globalen Kampfes für Gerechtigkeit und Menschenrechte sein.