Der Terroranschlag von Wien hat nicht nur Österreich, sondern die ganze Welt erschüttert. Der aus Nordmazedonien stammende österreichische Terrorist hat vier unschuldige Menschen ermordet, darunter auch ein Opfer aus seinem Herkunftsland. Viele weitere Unschuldige wurden verletzt. Die rasch zu den Tatorten herbeigeeilten Polizisten, setzten den 20-jährigen Terroristen innerhalb kürzester Zeit außer Gefecht. Trotzdem hat man den Schock der Ereignisse noch nicht wirklich überwunden: weil die Sicherheitskräfte lange Zeit nicht sagen konnten, ob es sich um einen Einzeltäter handelte und weil man in Österreich seit den 80er Jahren keinen Terroranschlag dieser Dimension erlebt hatte.
Mit der einkehrenden Ruhe nach dem Sturm erreichten uns aber auch erfreuliche Nachrichten. So wurde später bekannt, dass zwei türkische Männer und ein Palästinenser, also drei muslimische Helden, einem angeschossenen Polizisten geholfen und zu einem Krankenwagen getragen hatten. Für die insbesondere in Europa aber auch darüber hinaus im Rest der Welt lebenden Muslime spendete die Nachricht über die Hilfsbereitschaft der muslimischen Taxifahrer, welche die aufgeschreckten Menschen unentgeltlich vom Tatort wegfuhren, Trost und war wichtig.
Leider hat sich aber außer dem sozialdemokratischen Oberbürgermeister Wiens, Michael Ludwig, kein ranghoher Politiker bei diesen Menschen bedankt, die in einer Ausnahmesituation couragiert gehandelt haben. Hätte nicht zumindest die für Integration zuständige Bundesministerin Susanne Raab diese Menschen dem Rest der Gesellschaft als Vorbilder präsentieren müssen?
Dennoch sollten wir der Regierung auch Anerkennung zollen. Denn Bundeskanzler Kurz hat am Tag nach dem Anschlag mit seiner Ansprache und seiner Betonung, dass dies kein Kampf zwischen Christen und Muslimen sei und man dem Hass keine Chance geben werde, die aufgewühlten Gemüter der österreichischen Muslime ein stückweit beruhigt. Zumal wir wissen, dass politische Kreise, zu denen auch die von Bundeskanzler Kurz geführte Österreichische Volkspartei (ÖVP) gehört, mit ihren islamophoben und turkophoben Diskursen den Hass gegen die im Land lebenden Muslime mitgeschürt haben. Nach dem Terrorangriff hatte man daher zunächst eine weitere Verschlechterung der ohnehin schon eingetrübten Wahrnehmung befürchtet.
Hinzu kommt, dass die im Kampf mit der Covid-19-Pandemie ohnehin erfolglos agierende Regierung offenbar auch bei der Terrorabwehr versagt. Das beweisen die zuletzt bekannt gewordenen skandalösen Missstände. So hatte das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Verfassungsschutz den späteren Angreifer wohl nicht effektiv observiert. Und was noch weit schwerer wiegt: Die Informationen der slowakischen Amtskollegen über den Waffenerwerbsversuch des Angreifers wurden nicht weiterverfolgt. Und als ob das alles nicht schon genug wäre, wurden Spannungen und Differenzen bei den Koalitionspartnern der Regierungskoalition ersichtlich.
Der neue Kampfbegriff „politischer Islam“
Um dann das unbestreitbar gewordene Chaos und seine Defizite zu kaschieren, ist Bundeskanzler Kurz jüngst erneut vor die Öffentlichkeit getreten und kündigte mit einem scharfen Unterton unter der Überschrift „Anti-Terror-Gesetzgebung“ ein neues Maßnahmenpaket an – als vorläufigen Höhepunkt seiner islamfeindlichen Politik. In dem besagten Gesetzesvorhaben wird aus dem ominösen Begriff „politischer Islam“ ein neuer Straftatbestand.
Dieser Begriff ist inhaltlos, elastisch und eigentlich als politisches Schlagwort bekannt. Selbst Ministerin Raab konnte bei der Proklamation der Dokumentationsstelle „Politischer Islam“ den Begriff nicht konkret definieren. Auf die Frage, was denn der „politische Islam“ sei, konnte sie bisher keine Antwort liefern. Vor diesem Hintergrund kann man nicht von einem guten Willen sprechen.
So ist es auch nur folgerichtig, dass dieser Vorstoß nicht nur von Muslimen in Österreich, sondern von Gläubigen weltweit als weiterer Schritt zur Unterdrückung und Entrechtung angesehen wird. Auch ist es kein Geheimnis, dass bereits der Begriff „Integration“ von den politischen Eliten in Österreich und anderen europäischen Staatenals Kampfbegriff zur Unterdrückung von Minderheiten, insbesondere Muslimen, genutzt wurde.
Österreichische Muslime und die Opferrolle
Die österreichischen Muslime sollten sowohl institutionell als auch individuell aufhören, reflexhaft zu agieren und endlich dazu übergehen, aktiv von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Sie haben von der Opferrolle, in die sie sich seit langer Zeit begeben haben, politisch nicht profitiert. Daran wird sich auf lange Sicht nichts ändern, das sollte man einsehen.
Somit ist es das Gebot der Stunde, wie es uns die drei muslimischen Jugendlichen in der Nacht des 3. November vorgemacht haben, ohne Komplexe, mit Selbstbewusstsein und unserem gesellschaftlichen Ansehen entsprechend zu agieren.