Das bereits kurz nach Regierungsantritt im Januar dieses Jahres angekündigte Projekt „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ ist letzte Woche von der Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sowie zwei Wissenschaftlern an ihrer Seite der breiten Öffentlichkeit präsentiert worden. Von allen dreien wurde es als „europäisches Leuchtturmprojekt“ angepriesen.
Die Initiative, die bereits im Regierungsprogramm angekündigt worden war, kommt wenig überraschend. Auch wenn es im Regierungsprogramm noch geheißen hatte, dass die Dokumentationsstelle sich etwa mit religiös motiviertem Extremismus und Rechtsextremismus auseinandersetzen werde, so wird nun allen deutlich gemacht, worum es eigentlich und von Anfang an ging: um den sogenannten „Politischen Islam“. Was dieser ist, kann zwar von Regierungsseite nicht so genau umrissen werden. Aber gerade das scheint die Stärke des Begriffs zu sein. Schließlich geht es hier um eine Institutionalisierung des Generalverdachts. Das macht zumindest die Ankündigung deutlich: Ministerin Raab meinte etwa, dass muslimische Vereine durchleuchtet werden müssten. Denn, so ihre Behauptung, viele hätten etwas zu verbergen.
„Umhüllt mit einem Mantel der Integration, mit einem Mantel der Demokratie“ sei der Politische Islam, so der Theologe an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Mouhanad Khorchide, der als einer von zwei Wissenschaftlern das Projekt mitvorstellte. Er behauptete weiter, dass „nach innen“ andere Werte gälten. Und der zweite Wissenschaftler, Lorenzo Vidino, meinte, dass das Problem des Politischen Islams darin bestände, dass er nicht gegen die Gesetze verstoße, aber die Gesellschaft spalte. Soll die Dokumentationsstelle nun eine Gesinnungspolizei werden? So klingt es zumindest teilweise. Die Dokumentationsstelle solle nun eine Liste anfertigen, so die Ministerin, um Klarheit darüber zu gewinnen, mit welchen Vereinigungen öffentliche Behörden kooperieren können und vor allem: mit wem nicht. Es ist also eine Institutionalisierung des Generalverdachts, die wir auch in anderen Ländern bei Sicherheitsbehörden beobachten können. Sie trägt zu einer Ausgrenzung zivilgesellschaftlicher AkteurInnen muslimischen Glaubens bei. Das erinnert an den Umgang mit linken Oppositionellen in vielen Ländern zu Zeiten des Kalten Krieges. In der heutigen Zeit des Krieges gegen den Terror erhält der Feind einen neuen Namen - aber die Strukturen bleiben.
Diese Initiative wird insbesondere politisch-oppositionelle Kräfte betreffen und kann vielleicht schon morgen ausgeweitet werden. Nicht zuletzt deshalb sollte die kritische Öffentlichkeit wachsam sein und ihren Protest kundtun. Indem die Grünen als Juniorpartner der Regierung fungieren, ist aber bereits ein Großteil möglicher Opposition im Vorhinein ausgehebelt.
Dass Österreich damit immer mehr seine autoritäre Islampolitik zementiert, ist alarmierend. Das spiegelt insbesondere die Gedankenwelt eines der beiden Berater der Stelle wider: die des bereits erwähnten Mouhanad Khorchide, der bei seinen Ausführungen mit besonders tollkühnen Thesen aufhorchen ließ. Ihm zufolge hätte man das Phänomen des Politischen Islams „aus den Augen verloren“. Das ist insofern besonders eigenartig, weil die ÖVP gerade während ihrer Koalition mit der rechten FPÖ mehrere Gesetze auf den Weg brachte, die mit dem Verweis auf den Kampf gegen den sogenannten Politischen Islam legitimiert wurden. Diese griffen in die muslimische Religionspraxis in Form eines Kopftuchverbotes ein – zuerst im Kindergarten und dann im Grundschulbereich mit Verweis auf Ausweitung bis hin zur Universität und den öffentlichen Dienst. Ein anderes Mal betraf war die organisierte Religion betroffen, so wie es der Versuch der Schließung von Moscheen verdeutlichte. Das Vorhaben wurde jedoch durch das Wiener Verwaltungsgericht verhindert. Und Khorchide weiß das besser als viele Deutsche. Schließlich lobte er die später von der Justiz aufgehobene Maßnahme noch öffentlich in österreichischen Medien.
Khorchide scheint für einen anderen Gesellschaftsentwurf zu stehen. Er verweist insbesondere auf ein Treffen mit dem ägyptischen Religionsminister und meint, dass die Regierenden „in anderen islamischen Ländern ein Problem mit dem politischen Islam“ hätten. Dass gerade Ägypten, eine Hochburg der systematischen Unterdrückung, als die Mutter des Politischen Islams gilt und für heftige Menschenrechtsverletzungen bekannt ist, scheint er dabei geflissentlich übersehen zu wollen und wähnt sich in Sicherheit angesichts der Zurückhaltung Deutschlands gegenüber dem De-facto-Diktator Abdel Fattah El-Sisi. Selbst Kanzler Kurz begrüßte nach einem Treffen mit El-Sisi die Revolution des Islams, die letzterer angeblich anstrebe.Für Khorchide wird die Dokumentationsstelle dann auch gleich ein Pionierprojekt nicht nur für Europa, sondern gleich für „die islamische Welt“. Sollte die autoritär-diktatorische Politik die Stoßrichtung für das Projekt darstellen, dann ist das doppelt so beunruhigend für alle Menschen, die das Projekt Demokratie verwirklichen wollen.