Laut einer aktuellen Prognose von Statista wird der Weltmarkt für „Virtuelle Realität“ (VR) von den für 2021 erwarteten 4,84 Mrd. US-Dollar bis zum Jahr 2024 auf über 12 Mrd. US-Dollar ansteigen und sich somit mehr als verdoppeln. Allein 2018 wurden in Deutschland bereits 116 Mio. Euro mit VR erwirtschaftet, davon knapp die Hälfte mit VR-Brillen bei zweistelliger Wachstumsrate.
VR gilt als disruptive Technologie, die längst nicht nur für Gaming eingesetzt wird, wie gemeinhin angenommen wird: Vielfältige Anwendungsszenarien sind machbar und erprobt und werden auch in Deutschland teils bereits praktiziert.
Virtual Reality (VR) – was ist das überhaupt?
Bekannt sind Virtual-Reality-Systeme derzeit vor allem in Form von Headsets, sogenannten VR-Brillen: Das Rundum-Erlebnis mit Datenbrille verschafft dem Anwender das sinnliche Erlebnis, in einer anderen, virtuellen Umgebung physisch präsent zu sein und sich darin zu bewegen. Dabei kann die virtuelle Realität sowohl realistisch aufgebaut als auch ein völlig fiktives Szenario sein.
VR-Datenbrillen sorgen für ein geschlossenes, immersives Erlebnis, das den Brillenträger vollständig von der Außenwelt abschirmt und ihn in die virtuelle Welt hineinportiert: Durch starke visuelle und akustische Simulation tritt die echte Umgebung so weit in den Hintergrund, dass die virtuelle Welt als real empfunden wird.
Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR)
Davon abgegrenzt werden Konzepte wie Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR), die als computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung beschrieben werden können.
AR- und MR-basierte Datenbrillen sind offen gestaltet: Die echte Umgebung bleibt sichtbar und wird lediglich um virtuelle Inhalte ergänzt. Indem sie die Umgebung nicht ausblenden, sondern Inhalte und Daten zeitgleich zur Umgebung sichtbar machen, können ihre Träger weiterhin am normalen Leben teilnehmen, da sie Objekte und Menschen um sich herum wahrnehmen, ähnlich wie beim Gebrauch eines Smartphones. Sie erhalten lediglich zusätzlich erweiterte Informationen, z.B. Navigationsdaten, 3D-Projektionen oder touristische Hinweise.
Hersteller wie Microsoft, Epson und Google haben mit Google Glass, Magic Leap und HoloLens bereits solche AR/MR-Wearables entwickelt, die im seitlichen Sichtfeld Zusatzdaten einblenden.
Klassische Anwendung: Gaming mit VR
Klassische VR-Brillen integrieren eine große Bandbreite an Sensorik, z.B. zur Erfassung von Stimme, Augen- und Kopfbewegungen, sowie ein Touchpad und Konsolen bzw. Steuerungsgeräte mittels Magneten.
Als klassisches Einsatzgebiet gilt dabei seit jeher die Gaming- und Filmbranche. Mit VR-Brillen können Videospieler gänzlich in ihre Spielwelt abtauchen und sich selbst als Teil des Spiels erleben. Darüber hinaus lassen sich mit VR-Headsets auch Filme in 3D anschauen.
Dies spiegelt sich im Umsatz wider: Laut einer PwC-Studie von 2018 gaben die Deutschen 62 Mio. Euro für VR im Gaming-Bereich aus, weitere 43 Mio. Euro für Virtual-Reality-Videos.2 Wie ein Rundumblick zeigt, ist die Gaming-Welt jedoch nicht die einzige Branche, die VR ins Visier genommen hat.
VR und ihr Nutzen für die Medizin
Gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung haben Virtual-Reality-Lösungen durchschlagendes Potenzial: Medizinstudenten setzen sie heute ein, um den menschlichen Körper digital zu erforschen und OP-Techniken zu erlernen. Insbesondere in der Chirurgie profitieren Operateure in der Ausbildung von dem virtuellen „Übungsplatz“.
Die Charité Universitätsmedizin in Berlin plant derzeit den Einsatz von Augmented Reality (AR) in der Lehre: AR-Datenbrillen sollen den Studierenden in den Studiengängen Human- und Zahnmedizin sowie Hebammen- und Pflegewissenschaft zukünftig ermöglichen, von der Intensivstation oder Neugeborenenstation räumlich distanziert zu sein und dennoch zusammen mit dem Dozenten „live am Patientenbett“ am Unterricht teilnehmen zu können.
Ob beim Zahnarzt oder bei ambulanten Eingriffen: Virtual-Reality-Brillen werden auch bei Patienten eingesetzt, um diese von ihrer Angst oder ihren Schmerzen abzulenken. Studien belegen, dass positive Effekte wie Schmerzreduktion in vielen Fällen auch dann eintreten, wenn Patienten nur eine virtuelle Behandlung erhalten.
Virtuell entspannen: Vom Nutzen für Pflege- und Altenheime
Abenteuer und Reisen ans Meer, in die Berge oder in „virtuelle Welten“ an Stelle von Vereinsamung: Pflege- und Altenheime setzen VR-Technologie inzwischen zur Entspannung, Ablenkung und Unterhaltung von Senioren ein.
Senioren, die VR-Brillen bereits getestet haben, berichten von neuer Lebensqualität – insbesondere bei chronischen und langwierigen Krankheiten, die es ihnen nicht erlauben, sich frei zu bewegen oder in die Natur zu gehen. Die virtuellen Entspannungsreisen haben aber auch bei Langeweile und Depressionen nachweislich einen therapeutischen Effekt und können mit Meditations- und Bewegungsübungen kombiniert oder als Einschlafhilfe eingesetzt werden.
Nicht zuletzt profitiert auch die Palliativmedizin von den virtuellen Ausflügen: Nicht erfüllte Lebensträume wie die Kreuzfahrt oder die Reise nach Ägypten können so auf virtuellem Wege doch noch verwirklicht werden – und die Patienten zumindest zeitweise von ihrem Leiden befreien.
Reisen durch die Zeit: Tourismus & Hotellerie
Sowohl VR- als auch AR-/MR-Brillen werden zunehmend für touristische Zwecke eingesetzt. In größeren Städten wie Berlin, Frankfurt, Köln oder München ermöglichen Anbieter wie TimeRide bereits virtuelle „Zeitreisen“ in die Vergangenheit: Ähnlich wie bei einem Kinobesuch reist der Besucher in eine bestimmte historische Epoche und erkundet als Zeitzeuge die Stadtgeschichte, z.B. in einer barocken Kutsche oder antiken Straßenbahn.
Einige Hotels wiederum setzen inzwischen auf VR-Rundgänge zur interaktiven Kundenansprache in 3D und mittels 360-Grad-Perspektive: So können sich Hotelgäste schon vor dem Besuch einen Eindruck „vor Ort“ verschaffen, Zimmer besichtigen und sich zur Buchung entschließen.
Umgekehrt können auch virtuelle Szenarien entworfen werden, wenn es z.B. darum geht, Räumlichkeiten zu entwerfen oder für Festlichkeiten zu gestalten: Ein 360-Grad-Panorama, durch eine VR-Brille betrachtet, macht Raumwirkung und Ambiente direkt spürbar – und eignet sich deshalb auch für die Eventplanung.
Gebäude und Räume visualisieren – und gestalten
Entsprechend nutzen Architekten im Bauwesen VR- und AR-Technologie verstärkt zur interaktiven Gebäude- und Design-Visualisierung: Raum- und Lichtwirkung werden simuliert, und unterschiedliche Gestaltungs- und Einrichtungsideen können direkt miteinander verglichen werden – ob beim privaten Hausbau, Innenausbau und Umbauten oder bei der Gebäude- und Quartiersplanung.
Laut einer Studie von CGArchitect wird VR/AR-basierte Architektur-Visualisierung bislang primär in Europa und den USA angewendet – und zwar vor allem für die Produktion.
VR für Trainingszwecke
Nicht nur in der Chirurgie, sondern auch in anderen Branchen unterstützt VR inzwischen die Ausbildung. So erlernen Piloten und Fahrer komplexer Fahrzeuge mittels VR-Technologie die Steuerung und Bedienung ihrer Maschinen in einem risikofreien Setting.
VR-Headset-Systeme ergänzen die in der Pilotenausbildung klassischerweise eingesetzten Flugsimulatoren und erleichtern es so, die Grundlagen des Fliegens zu erlernen und dabei ein intensiveres Flugerlebnis zu simulieren.
Teures Unterfangen?
Doch für welchen Zweck und in welcher Form sie auch eingesetzt werden – als AR-Brille, die virtuelle Objekte in die Realität bringt, oder als VR-Brille, die den User selbst in die virtuelle Realität versetzt – ,bislang verlangten Hersteller horrende Summen für ihre Datenbrillen und Headsets. Infolgedessen bieten viele Hersteller VR-Systeme mittlerweile auch preiswert zur Miete an.
Angesichts der Wachstumsprognosen und der nun fallenden Verbraucherpreise – eine VR-Brille ist heute mittlerweile für unter 500 Euro erhältlich – ist jedoch zu vermuten, dass VR uns auch die kommenden Jahre und Jahrzehnte weiter beschäftigen und zu einer massentauglichen Technologie heranwachsen wird.