Symbolbild. Eine Mutter hält ihren Sohn an der Hand. (dpa)
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Mehr als drei Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wachsen in suchtbelasteten Familien auf. Das schilderte Christine Kreider von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm und sprach dabei von konservativen Schätzungen. Etwa 2,65 Millionen der Betroffenen haben alkoholkranke Eltern, bei den anderen sind die Eltern überwiegend drogenabhängig. „Das ist eine enorm große Zahl, und die Dunkelziffer ist noch viel höher“, sagte die DHS-Referentin für Prävention der Deutschen Presse-Agentur zum Aktionstag der Suchtberatungsstellen am Mittwoch. „Fast jedes sechste Kind in Deutschland kommt aus einem Haushalt mit einer Suchtproblematik.“

Psychische und soziale Störungen bei Kindern sind die Folge
Auch in Nordrhein-Westfalen weisen viele Stellen anlässlich des bundesweiten Aktionstags auf die Bedeutung kommunaler Suchtberatung für Kinder aus suchtbelasteten Familien hin - so der Verein Jugendhilfe Bottrop oder der Arbeitskreis Jugend- und Drogenberatung in Warendorf. In NRW sei im Mai ein Förderprogramm für den Aufbau von Versorgungsstrukturen für betroffene Kinder auf den Weg gebracht worden, hieß es bei der DHS.
Expertin Kreider zufolge sind Jungen und Mädchen im Kita-Alter, Grundschüler und Kinder und Jugendliche in weiterführende Schulen betroffen. Das Angebot der Suchtberatungsstellen müsse für diese unterschiedlichen Zielgruppen entsprechend differenziert ausfallen. Wichtig seien Erzieherinnen, Lehrkräfte, alle Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Die Beratungsstellen haben Material zusammengestellt, um Fachkräfte und Ehrenamtliche zu unterstützen, wenden sich auch direkt an Heranwachsende, etwa mit dem Portal „Kidkit“.
„Es gibt großen Handlungsbedarf“, sagte Kreider. Nach Schätzungen entwickelten etwa ein Drittel der gut drei Millionen betroffenen Heranwachsenden psychische oder soziale Störungen. Ein weiteres Drittel habe später selbst Alkohol- oder Drogenprobleme. „Und häufig fällt ihnen die Ablösung vom Elternhaus schwer, sie haben Probleme, ihre Identität, ihren Platz im Leben zu finden und stabile Partnerschaften aufzubauen.“

Corona hat die Problematik noch verschärft
Es gelte, suchtmittelabhängige Eltern so früh wie möglich zu identifizieren, um zu intervenieren und Schaden von Kindern abzuwenden oder geringstmöglich zu halten. „Das ist sehr schwierig. Die Kinder sind vorbelastet, das Risiko, dass sie selbst krank werden, ist erhöht.“ Zugleich hätten sie aber große Schutzfaktoren. „Die Kinder sind zu bemerkenswerten, tollen Leistungen in diesen schlimmen Situationen fähig.“ Es gebe große Chancen für sie, wenn man diese Kräfte früh und gezielt fördere.
Die Suchtberatungsstellen helfen den Kindern direkt und indirekt, unterstrich Kreider. Sie beraten, unterstützen und sind laut DHS kommunal in der Netzwerkarbeit tätig. Die Aufgaben der Suchtberatungsstellen seien durch Corona und dessen Folgen wichtiger denn je. Auch mit dem Aktionstag soll auf die vielfältigen Angebote der Beratungsstellen aufmerksam gemacht werden. „Sie bieten eine unverzichtbare Hilfe für Ihre Klientinnen und Klienten, retten Leben und leisten einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft“, betonte die DHS. Alkohol sei oft das Hauptthema - und in der Pandemie für viele noch zum verstärkten Problem geworden.

dpa