Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht in der Haltung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu dem israelischen Vernichtungskrieg gegen den Gazastreifen kein Problem für das Bündnis. „Es ist nie einfach, wenn wir innerhalb des Bündnisses unterschiedliche Ansichten haben“, sagte Stoltenberg in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Als Folge der massiven Angriffe auf den Gazastreifen hat Erdoğan den Kontakt zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu abgebrochen. „Netanjahu ist für uns keine Art von Gesprächspartner mehr. Wir haben ihn gelöscht, wir haben ihn durchgestrichen“, sagte Erdoğan. Auch in der Vergangenheit hatte der türkische Präsident Israel aufgrund seiner Angriffe auf Palästinenser als „terroristischen Staat“ bezeichnet.
Spekulationen, dass die Zurückhaltung der Verbündeten mit der noch ausstehenden Ratifizierung des Nato-Beitritts Schwedens durch Türkiye zusammenhängen könnte, wies Stoltenberg zurück. „Das sind zwei sehr unterschiedliche Themen“, sagte er. Die türkische Regierung habe dem Parlament erst nach Beginn der israelischen Angriffe auf Gaza die Dokumente für die Ratifizierung vorgelegt. „Mitten in dieser Krise hat Türkiye also die Vereinbarung umgesetzt, die wir auf dem Nato-Gipfel in Vilnius im Juli dieses Jahres getroffen haben, wo sich Schweden verpflichtet hat, mehr im Kampf gegen den Terrorismus zu tun.“
Stoltenberg betonte, kein Verbündeter habe mehr terroristische Anschläge erlitten als Türkiye. Er verwies darauf, dass die PKK von der EU als terroristische Organisation eingestuft ist.
UN-Abstimmung offenbart Uneinigkeit der Nato
Die 31 Mitgliedstaaten der Nato haben auch in der UN-Vollversammlung bei der Verabschiedung der Resolution für eine Waffenruhe in Gaza sehr unterschiedlich abgestimmt. Türkiye votierte zusammen mit großen EU-Staaten wie Frankreich und Spanien dafür. Deutschland, Großbritannien und einige andere Nato-Mitglieder enthielten sich. Die USA und einige EU-Staaten wie Tschechien und Ungarn stimmten mit Israel gegen die Resolution.
„Auch wenn sich die Nato-Verbündeten in vielen Grundprinzipien einig sind, versuche ich nicht zu verbergen, dass es auch Unterschiede gibt“, sagte Stoltenberg. Aber das liege daran, dass die Nato ein Bündnis von 31 Nationen und dieser Konflikt äußerst komplex und gefährlich sei. „Und das ist auch der Grund, warum es so wichtig ist, sich weiterhin für eine friedliche Verhandlungslösung einzusetzen.“
Stoltenberg sieht keine Nato-Rolle in dem Konflikt
Ein Szenario, in dem die Nato eine Rolle im Gaza-Krieg einnimmt, kann sich Stoltenberg nicht vorstellen. „Die Nato hat im israelisch-palästinensischen Konflikt nie eine Rolle gespielt, und wir streben auch keine Rolle in diesem Konflikt an“, sagte er. Die Hauptaufgabe der Nato sei es, das Bündnisgebiet zu schützen und zu verteidigen.