Es dauerte nicht lange, bis die FPÖ sich voll im Oppositionsmodus wiederfand. Nach dem Debakel rundum die Ibiza-Affäre und den damit einhergehenden Verlust der Kanzlerschaft tut sie wieder das, was sie am besten kann: gegen Minderheiten hetzen, um sich selbst aufzuwerten und gegen eine vermeintliche Gefahr im Verteidigungskampf zu mobilisieren. Wie immer passt das Timing. Kurz nach Abflauen der ersten und hoffentlich letzten Phase des Lockdowns zur Minimierung der Verbreitung von Covid-19 haben sich bereits alle Parteien für den Wahlkampf in der Bundeshauptstadt Wien positioniert.
Und die FPÖ sichert sich wieder Schlagzeilen, indem sie die Grenzen des Sagbaren ausweitet: eine wichtige Strategie des Populismus, um in Zeiten von Krisen, auch abseits des Ibiza-Ausschusses, Schlagzeilen in den Medien zu erhalten. So meinte Norbert Hofer, der sich mit dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl die Doppelspitze der FPÖ-Führung teilt, während einer Kundgebung im traditionellen Wiener Arbeitsbezirk am Viktor-Adler-Platz: „Ich fürchte mich nicht vor Corona, Corona ist nicht gefährlich. Da ist der Koran gefährlicher, meine Lieben, als Corona.“ Aufmerksamkeit war ihm dadurch gesichert - und auch die entsprechende Aufregung bzw. die Empörung über das viele Schweigen abseits gewohnter Stimmen. Neben der neuen Partei SÖZ brachte auch die Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts der Herabwürdigung religiöser Lehren sowie der Verhetzung ein. Weitere zivilgesellschaftliche Akteure sowie der Bundesgeschäftsführer der SPÖ verlangten eine Entschuldigung. Und damit hat die FPÖ wiederum ihr Ziel erreicht, indem sie die Grenzen des Sagbaren wieder einmal ausgeweitet hat.
Die Sprache der Entmenschlichung, die die FPÖ-Funktionäre seit vielen Jahrzehnten verfolgen, ist Programm bei dieser Partei. Während die FPÖ in ihrer kurzen Regierungszeit den Ton etwas sanfter anschlug, im Inhalt aber ebenso ausgrenzend blieb und vor allem ihr Programm in Gesetze umwandelte, kehrt die FPÖ unter dem oftmals als „sanft“ beschriebenen Bundesparteiobmann Hofer zu ihrer bekannten hetzerischen Art zurück.
Die FPÖ, die historisch betrachtet als Partei von Ex-Nazis für Ex-Nazis gegründet wurde, hat sich nie vollständig von ihrer Vergangenheit lösen können, auch wenn sie das insbesondere in der Koalition mit der Neuen ÖVP versucht hat. Die Worte von Hofer erinnern wie so oft an die hetzerische Sprache in Zeiten des politischen Antisemitismus, als Juden und Jüdinnen Parasiten genannt wurden und die Thora als vermeintliche Grundlage des schändlichen Handelns jüdischer Menschen herhalten musste. Jüdische Menschen, das waren in der Sprachwahl der Nazis „Parasiten“, die die deutsche Gesellschaft zersetzen würden. Und so wird heute in Zeiten des grassierenden antimuslimischen Rassismus die Entmenschlichung muslimischer Menschen fortgeführt, indem nicht die Thora, sondern der Koran zum Symbol des Todes gemacht wird. In Österreich, wo insgesamt 618 Menschen an Covid-19 gestorben sind, will Hofer den Koran als gefährlicher einstufen.
Diese entmenschlichende Sprache ist es, die den Boden für Gewalttaten wie auch Gesetze ebnet, die MuslimInnen in ihren Rechten beschneiden. Wer Jahrzehnte gegen MuslimInnen hetzt, will die Saat, die gelegt wurde, auch ernten. Nirgends konnte man das besser sehen als in der kurzen Regierungszeit von FPÖ und ÖVP, wo eine Maßnahme nach der anderen gesetzt wurde, um MuslimInnen in ihrem Leben einzuschränken und zu kriminalisieren. Dazu gehörten Kopftuchverbote im schulischen Raum wie auch das Symbolgesetz und der am Rechtsstaat gescheiterte Versuch, Moscheen zu schließen.