UEM: Erster Schritt zur Bekämpfung von anti-muslimischem Rassismus
Der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit stellt in seinem ersten Bericht 20 wichtige Empfehlungen gegen anti-muslimischen Rassismus vor. Die Einberufung des Gremiums ist ein wichtiger Schritt für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit.
Symbolbild: Eine Frau mit Kopftuch. / Photo: Getty Images (Getty Images)

Der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) ist ein Gremium, das im Jahr 2020 vom damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) berufen worden war. Die Experten der UEM haben nun ihren ersten Bericht vorgelegt. Der 400-seitige Bericht mit dem Titel „Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz” ist die erste „umfassende Bestandsaufnahme über das Phänomen Muslimfeindlichkeit in Deutschland, seine Wirkweisen und Erscheinungsformen”, so die aktuelle Innenministerin Nancy Faeser.

Dieses Schreiben des Expertenrats kann als ein großer Erfolg betrachtet werden. Denn er ist der erste Bericht, der den anti-muslimischen Rassismus als eine gesellschaftliche Realität darstellt und zentrale Lücken in der Bekämpfung aufzeigt. Darin werden kontroverse Themen angesprochen, die bisher noch nicht in Worte gefasst worden waren.

UEM behandelt aktuelle Themen

Der Bericht, der sich unter anderem mit den Themen Bildung, Medien, Politik, öffentliche Debatten, Religionspolitik und Kultur auseinandersetzt, kritisiert den anti-muslimischen Rassismus in deutschen Machtzentren. Es werden quantitative Daten vorgestellt, die das Problem veranschaulichen. Zudem werden im Zusammenhang mit aktuell geführten Debatten kontroverse Themen bewertet, wie beispielsweise die sogenannte „Clankriminalität“. In diesem Kontext wird kritisiert, dass „die Zugehörigkeit zum Islam als Ursache der Beteiligung an besonderen Formen koordinierter Kriminalität“ betrachtet wird. Ein anderes Beispiel stellt die Debatte über die sogenannte Kölner Silvesternacht dar, die als „affektiv aufgeladener Knotenpunkt“ im Zusammenhang mit der „Abwehrfiguration des sexuell übergriffigen ‚Anderen‘“ gesehen wird.

Besonders hervorzuheben ist die Thematisierung der „Kontaktschuld“-Strategie. Der UEM stellt fest, dass den „Muslim*innen in der Öffentlichkeit eine bedenkliche Nähe zu islamistischen Gruppen oder eine entsprechende Gesinnung vorgeworfen“ wird. Die kritische Analyse wird mit konkreten Beispielen veranschaulicht, die oftmals im Zusammenspiel mit der inneren Sicherheit Bedeutung erhalten. Der UEM kritisiert in dem Bericht, dass „unbelegte Annahmen und Verunglimpfungen […] medial sowie von Behördenseite ein beunruhigendes Maß an Berücksichtigung und Akzeptanz“ erfahren. Es wird auf die Konsequenzen dieser Kontaktschuld-Strategie eingegangen: „Ein gesellschaftlicher, in Teilen rassistisch genährter Angstzustand scheint als Legitimationsgrundlage für die Notwendigkeit grundlegender Skepsis gegenüber Muslim*innen und der Aushöhlung ihrer Grundrechte zu dienen.“

Die Sicherheitspolitik Deutschlands, die vor allem vom Innenministerium ausgeht, ordnet ein hartes Vorgehen gegen Muslime an. Im Unterkapitel ‚Sicherheitsbehörden: Muslim*innen als Sicherheitsrisiko‘ verweist der UEM darauf, dass „erfahrene Wissenschaftler*innen durch dichte Beschreibungen ihrer Eindrücke im Kontakt mit dem BMI und Verfassungsschutz die übertriebene, intransparente, stigmatisierende und bisweilen diskriminierende Verdachtspolitik des deutschen Staats kritisiert“ haben. Es wird „ein Wandel im Leitbild des BMI und des Verfassungsschutzes“ gefordert.

Den staatlichen Behörden stehen zentrale Instrumente zur Verfügung, wie etwa die Exremismusklausel im Vereinsrecht oder der Fragebogen zur Verfassungstreue. Leider findet man jedoch zu dem „nicht unproblematischen Begriff des ‚legalistischen Islamismus‘“ keine Erläuterung. Im Bericht des UEM wird behauptet, dass der Rechtsstaat zwar „seine demokratische und menschenrechtliche Ausrichtung verteidigen“ müsse, dabei aber auch „rechtsstaatliche Prinzipien einhalten“ soll. Die Auswüchse dieser vergangenen Politik ansprechend wird erklärt, dass „Existenzen und Entwicklungsmöglichkeiten von Muslim*innen […] immer wieder durch falsche Verdächtigungen massiv beeinträchtigt“ wurden. Ein Beispiel hierfür sind die unbegründeten Behinderungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt.

Es wird eine „Abgrenzung zwischen problematischem Extremismus mit Herrschaftsanspruch einerseits und traditionellen, auch religiös begründeten Lebenshaltungen ohne solchen Anspruch andererseits“ gefordert. Allerdings wird keine fundamentale Infragestellung des Extremismus-Begriffs vorgenommen, wie er sich im Zuge des Globalen Krieges gegen den Terror ausgebreitet hatte. In einem Unterkapitel werden„rassistische Nebeneffekte von Radikalisierungs- und Extremismusprävention“ thematisiert. Diese Kritik begrenzt sich aber auf eine nationalstaatliche Ebene. Zudem wird deutlich hervorgehoben, dass „Menschen nicht aufgrund einer traditionell orientierten Religiosität aus dem rechtsstaatlichen Konsens hinausdefiniert werden.“

Empfehlungen zur Bekämpfung von anti-muslimischem Rassismus

Der Bericht endet mit 20 Empfehlungen, diskriminierenden Praktiken entgegenzuwirken. Diese sind genauso umfangreich wie die untersuchten Themenfelder im Bericht. In dem vom Bundesinnenministerium herausgegebenen Bericht ist insbesondere die erste Empfehlung von großer Bedeutung: Als Erstes wird der „Schutz von Muslim*innen im gesamten öffentlichen Raum durch den Staat“ gefordert. Der Schutz von Muslim*innen sollte ein zentrales Anliegen des Staates sein, um gegen den Extremismus-Begriff vorzugehen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regierung die ambitionierten Empfehlungen des UEM zur Aufgabe macht.


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